Erinnern und Versöhnen
Die
Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit
von Clemens Thelen
Das Jahr 2000
Seit 2000 Jahren sprechen
Christen Gott als ihren Vater an und bitten ihn: "Vergib uns unsere
Schuld, wie auch wir denen vergeben, die an uns schuldig geworden sind"
(Lk 11,4). „Wer ist mehr zu diesem Schuldbekenntnis im Namen der
katholischen Kirche ermächtigt als der Bischof von Rom, der Nachfolger
Petri, dem Christus im Abendmahlssaal Verleugnung und Umkehr
vorausgesagt hatte?“ heißt es im Vorwort einer wissenschaftlichen
Studie „Erinnern und Versöhnen“ der Glaubenskongregation des Vatikans
(Internationale Theologische Kommission). Am Aschermittwoch des Jahres
2000 hat Papst Johannes Paul II. öffentlich um Vergebung gebeten für die
Schuld ihrer „Söhne und Töchter“.
Im Auftrag des Vorsitzenden der Internationalen Theologischen
Kommission, des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Joseph
Kardinal Ratzinger, wurde der Text veröffentlicht und den Lesern in
deutscher Sprache vorgestellt.
Weg der Kirche
Zum Weg der Kirche gehöre auch das Bekenntnis zur Erneuerung und die
Bitte um Vergebung („ecclesia semper reformanda“). Die Kirche gewinne
damit an Glaubwürdigkeit vor Gott und den Menschen. Sie diene der
Einheit der Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionsrichtungen und
Weltanschauungen, wenn sie um Vergebung bittet für das Übel, das in der
Vergangenheit von „Gliedern der Kirche“ und gerade auch von ihren
„Repräsentanten“ den Menschen anderer Gemeinschaften zugefügt worden
ist. Dadurch soll die Möglichkeit der Versöhnung eröffnet werden. Nicht
gemeint ist damit ein „Reinwaschen“, das auf ein Verdrängen oder bloßes
Vergessen von Schuld hinausläuft und einen endgültigen Schlussstrich
unter die Vergangenheit setzen will. Ziel ist eine "versöhnte
Erinnerung" an die Wunden, die man sich in der Vergangenheit zugefügt
hat.
(Zitat aus dem Vorwort des Herausgebers).
Erinnern
Mit der Formulierung "Reinigung des Gedächtnisses", beschreibt man
eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen, von der Sünde
entstellten Vergangenheit der Gemeinschaft, der man angehört. Dadurch
soll die Möglichkeit der Versöhnung eröffnet werden. „Nicht gemeint ist
damit ein Sich-Reinwaschen, das auf ein Verdrängen oder bloßes Vergessen
von Schuld hinausläuft und einen endgültigen Schlußstrich unter die
Vergangenheit setzen will.“ Ziel sei eine "versöhnte Erinnerung" an die
„Wunden, die man sich in der Vergangenheit zugefügt hat“. (Zitat aus dem
Vorwort des Herausgebers).
Kanon der Kritik
In einem „Kanon der Kritik“ werden zahlreiche Themen angesprochen,
mit denen sich die Kirche selbstkritisch auseinandersetzt, wenngleich
sie nicht für alle geschichtlichen Fehlentwicklungen verantwortlich
gemacht werden will:
Kreuzzüge, Inquisition, Hexenwahn, Wissenschaftsfeindlichkeit,
Intoleranz,
ausbeuterischen Umgang des Menschen mit der Schöpfung,
Sexualfeindlichkeit,
Behinderung der Emanzipation der Frau u.a.
Genau genommen reduziert sich der "Kanon der Kritik" auf die Epoche der
abendländischen Christenheit, das so genannte "Mittelalter", als Kirche
und weltliche Gesellschaft fast ununterscheidbar miteinander verflochten
waren.
Versöhnung
„Papst Johannes Paul II. wagt als Repräsentant der universalen
Kirche diesen Schritt im Dienst an der geschichtlichen Wahrheit, wenn er
um Vergebung bittet für Sünden und Fehlleistungen der Kirche und ihrer
Glieder in der Vergangenheit. Die Kirche lässt sich führen von Christus,
der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu
dienen, der seinen Jüngern mit dem Dienst der Fußwaschung ein Beispiel
der Demut geschenkt hat“. Die kritische Überprüfung der Vergangenheit
und die Bitte um Vergebung hat als Ziel die Versöhnung unter den
Menschen, die heute diesen Gemeinschaften angehören. (Zitat aus dem
Vorwort des Herausgebers).
Schuldbekenntnis
Bei dem Text der Kommission handelt es sich nicht um das „offizielle
Schuldbekenntnis der Kirche“, das vom Papst am Aschermittwoch persönlich
vorgetragen und das von ihm als Vertreter der universalen Kirche
verantwortet wird. Es ist aber auch keine „kirchengeschichtliche
Spezialuntersuchung“ zum Thema "Kirche und Schuld in der Vergangenheit".
Es ist eine Art „Interpretationshilfe“, welche Sinn und Tragweite dieser
in der bisherigen Kirchengeschichte einmaligen „Liturgie der Buße und
der Vergebungsbitte“ erschließen und nachvollziehen lassen, „die der
Heilige Vater zu Beginn der Österlichen Bußzeit des Heiligen Jahres 2000
mit der ganzen Kirche und in ihrem Namen“ feiern wollte.
Kommission
Die Internationale
Theologische Kommission hatte den Auftrag erhalten, mit einer
wissenschaftlichen Studie diesen „Akt der Vergebungsbitte“ vorzubereiten
und in seinem tieferen Sinn zu erläutern.
Der Inhalt ist gegliedert:
1. Kap. SCHULDBEKENNTNISSE IN VERGANGENHEIT UND GEGENWART
2. Kap. HEILIGES GOTTESVOLK UND SCHULD
3. Kap. SYSTEMATISCHE DARSTELLUNG
4. Kap. HISTORISCHE UND THEOLOGISCHE BEURTEILUNG
5. Kap. MORALISCHE BEWERTUNG
6. Kap. PASTORALE UND MISSIONARISCHE PERSPEKTIVEN
7. Kap. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Link
http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/cti
_documents/rc_co_cfaith_doc_20000307_memory-reconc-itc_ge.html
Internationale Theologische Kommission, Leitung von Prof. Dr. Bruno
Forte (Neapel), 2000 Herausgeber des Vorwortes ist Bischof Prof Dr.
Gerhard Ludwig Müller
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