Ausgabe Nr. 37                         Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung älterer Erwachsener
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Die Altkatholiken

                                                                    von Roland Huber

„Ich bin zwar jetzt unfehlbar, gedenke aber nicht, davon Gebrauch zu machen.“
Dies sagte Johannes XXIII auf eine diesbezügliche Frage, nachdem er wenige Tage zuvor am 28. Oktober 1958 zum Papst gewählt wurde.
Zum Staunen der Welt berief er das zweite Vatikanische Konzil ein, das im Oktober 1962 feierlich eröffnet wurde. Es sollte das „Aggiornamento (=Heutigwerden) der katholischen Kirche einleiten. Doch ein Krebsleiden schwächte ihn immer mehr. Er starb am  3. Juni 1963, vor Abschluss des Konzils.
Was ist aus dem Aggiornamento, was ist aus der Hoffnung vieler Katholiken und vieler Nichtkatholiken geworden?

1. Vatikanum
Im Jahre 1869 berief Papst Pius IX das so genannte 1. Vatikanische Konzil ein. Die beiden Dogmen (Lehrsätze oder Glaubenslehren) vom päpstlichen Universalepiskopat (rechtlich festgelegte bischöfliche Allgewalt des Papstes über die ganze katholische Kirche in allen Ländern der Welt) und von der päpstlichen Lehrunfehlbarkeit  wurden verkündet.
Diese Entscheidungen kamen nicht unerwartet. Eigenmächtig erhob Pius IX. 1854 den Lehrsatz von der Unbefleckten Empfängnis Mariens zu einem allgemein verbindlichen Dogma. 1864 folgte eine feierliche Erklärung, in der viele Errungenschaften des Liberalismus, z.B. die Meinungs- und Religionsfreiheit, Pressefreiheit und Demokratie, als widergöttlich und unkatholisch verwarf. In diesem „Syllabus Errorum“ sind 80 Aussagen aufgelistet, die als falsch verurteilt werden. Viele gebildete Katholiken im deutschsprachigen Raum waren bestürzt.

Widerstand
136 von 778 in Rom versammelten Konzilsväter, die sog. "Minorität", stand einer Dogmatisierung kritisch bis ablehnend gegenüber. Unter diesen Bischöfen waren vor allem deutsche, französische und österreichisch-ungarische stark vertreten. Sie hatten anerkannte Theologen auf ihrer Seite, allen voran der eher konservative Theologe und Kirchenhistoriker Propst Ignaz von Döllinger. Aus ihrer Sicht stellen die Dogmatisierungen einen Bruch mit der bisherigen katholischen Lehre dar. Die katholischen Christen, die die Beschlüsse des ersten Vatikanischen Konzils nicht annahmen, wurden exkommuniziert.  Dies führte zur Gründung der altkatholischen Kirchen, die sich in der Schweiz Christkatholisch nennen.

Aufbau
Mehr über die Entstehung sowie über das heutige altkatholische Leben finden Sie in den Internetauftritten der einzelnen altkatholischen Kirchen. Sie alle haben sich in  der Utrechter Union zusammengeschlossen. Und die Utrechter Kirche hat übrigens selbst eine hochinteressante Vorgeschichte.  

Gebiete
Konzentrationen von Alt-Katholiken finden sich  um Köln, um Bonn, im Ruhrgebiet sowie in Südbaden und direkt angrenzend in der Schweiz.


Altkath. Kirche in Singen Htwl.  Quelle: Renate Wiese

Mitten in der Stadt  Quelle: Renate Wiese

Diese grenznahen Gebiete sind deckungsgleich mit dem Bereich des ehemaligen, sehr aufgeklärten und deshalb zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgelösten Bistums Konstanz der Römisch-Katholischen Kirche. Auch in Bayern und Südhessen sind gleichmäßig alt-katholische Gemeinden verstreut.

„Aggiornamento
Alles, worauf liberale Katholiken seit Jahrzehnten noch warten, ist in der altkatholischen Kirche verwirklicht worden. Priester heiraten und Frauen werden zu Priestern geweiht. Gleichgeschlechtliche Liebe wird als eine Gegebenheit der Schöpfung angenommen.  Geschiedene  und wiederverheiratete Gemeindeglieder dürfen Sakramente empfangen. Die altkatholischen Kirchen sind Mitglieder des Weltkirchenrats. Reformierte Christen sind zu alt-katholischen Eucharistiefeiern eingeladen.

Zitate .
„Wir bekennen uns zur menschlichen Fehlbarkeit der Kirche und ihrer Mitglieder, also auch derer, die zu einem Leitungsamt in der Kirche berufen und bestellt sind. Wir versuchen, aus dem Wissen zu leben, dass jeder einzelne Mensch sowie die Kirche als Ganzes immer reformbedürftig und auf Vergebung angewiesen ist“.

„Unsere Grundhaltung anderen Menschen gegenüber ist von der Menschenfreundlichkeit Gottes geprägt. Wir versuchen daher eine offene Kirche zu sein und die Freiheit und Würde des einzelnen zu achten.“

Schlussfragen
Wer und was ist eigentlich katholisch? Sind die hohen Mauern zwischen der katholischen und den protestantischen Kirchen gar nicht zu Zeiten Martin Luthers sondern erst 1870 errichtet worden?

Links
http://www.johannesxxiii.net
http://www.utrechter-union.org

Deutschland   www.alt-katholisch.de   
Schweiz  http://www.christkath.ch 
Österreich  http://www.altkatholiken.at    
Südtirol    http://www.alt-katholiken.org 

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