Religion und
Gesellschaft
von Manfred Mätzke
Wegen der Fülle von Themen, die hier eine Rolle spielen, will
ich nur einige subjektiv ausgewählte aktuelle Beispiele vorstellen. (So
wie eine schwangere Frau plötzlich auf Schritt und Tritt andere Frauen
mit Baby und Kinderwagen sieht, bin ich nämlich in den letzten Wochen
sehr häufig über Aspekte zum Zusammenhang von Religion und Gesellschaft
gestolpert.)
Beispiel „Kirchenblatt“
screenshot der Website
Ist Ihnen chrismon schon mal begegnet? „Das
evangelische Magazin“, so der Untertitel, erscheint monatlich und liegt
überregional täglich und wöchentlich erscheinenden Zeitungen bei.
Kostenfrei. Wenn Sie die Zeitschrift durchblättern – und ich empfehle es
unabhängig von der religiösen Anschauung – treffen Sie auf interessante
und nachdenkenswerte Artikel. Die sind natürlich zumeist der
konfessionellen Herkunft des Blattes verpflichtet. Aber unaufdringlich
und verständlich. Für mich ein Beispiel gezielter kirchlicher
Öffentlichkeitsarbeit.
Beispiel Politik
Professor Heinrich de Wall, Kirchenrechtler von der
Universität Erlangen-Nürnberg anlässlich eines Adventsempfangs: „Das
Thema „Religion in der Öffentlichkeit“ hat Konjunktur. Um dies zu
belegen, brauche ich nur einige Stichworte der politischen Diskussion
des vergangenen Jahres zu nennen: Kopftuchstreit, Mohammed Karikaturen,
Islamkonferenz, Strafbarkeit der Gotteslästerung.“ All dies sind Themen,
die das Verhältnis vom Staat zur Religion betreffen.“ Weiteres lässt
sich ergänzen, etwa der Aufruhr nach der
Regensburger Rede von Papst Benedikt bei einigen Vertretern des Islam
ist noch in Erinnerung. Die Debatte um die Absage und spätere Zusage der
Opern-Aufführung von Mozarts Idomeneo in Berlin.
Die Diskussion um die Aufnahme des
Gottesbezuges in die Präambel der Europäischen Verfassung.
Beispiel Öffentlichkeit
Alle genannten Themen werden natürlich von den Medien aufgegriffen
und verhandelt. Damit wohl auch vervielfacht, vielleicht sogar verzerrt.
M. a. W.: Aus allen Medienrohren schießen religionsbezogene Themen, der
Konsument geht in Deckung und kann nur selektiv wahrnehmen. Denn weitere
Rohre sind in Stellung, Gesundheitsreform, Koalitionsstreit, älter
werdende Gesellschaft etc. ist ihre Munition. Dazu kommen noch
Ereignisse, die von vornherein auf mediale Wirkung abzielen: Etwa
Kirchentage, der Weltjugendtag 2005 in Köln oder als Höhepunkt der
Papstbesuch. Was bedeutet das für uns Medienkonsumenten? Ich meine, die
Vermittlung von Medienkompetenz ist erforderlich. An Kinder, aber
auch an Erwachsene.
Beispiel Ethikrat
Screenshot der Website
Im Januar ging das Schicksal der in ihrem Wachstum künstlich
gebremsten Ashley durch die Presse. Das geistig und körperlich schwer
behinderte und unheilbare Mädchen wird dazu mit Hormonen behandelt. Das
inzwischen neunjährige Mädchen wird so auf dem Entwicklungsstand einer
Sechsjährigen gehalten, damit es angemessen gepflegt werden kann. Ein
anderes Beispiel, das schwerwiegende ethische Fragen in die
Öffentlichkeit brachte, war der Fall der Komapatientin Terri S. im
letzten Jahr. Und schon lange beschäftigen uns die ethischen Fragen der
Stammzellenforschung. Weiter Beispiele lassen sich finden. Diese Art
Themen ist es, die 2001 zur Einrichtung eines Nationalen Ethikrates
führte. „Er soll den interdisziplinären Diskurs von Naturwissenschaften,
Medizin, Theologie und Philosophie, Sozial- und Rechtswissenschaften
bündeln und Stellung nehmen zu ethischen Fragen neuer Entwicklungen auf
dem Gebiet der Lebenswissenschaften sowie zu deren Folgen für Individuum
und Gesellschaft.“ Natürlich sind im Ethikrat auch theologische Belange
repräsentiert.
Beispiel Wissenschaft
Mit den Fragen der Religion befasst sich die Religionswissenschaft.
Sie untersucht eine Vielzahl von Religionen in ihrem jeweiligen
historischen und kulturellen Umfeld verfolgt. Dabei wird aber
nicht ein bestimmtes
religiöses Programm wie etwa die Suche nach der einen Wahrheit in den
Kulturen der Menschheit verfolgt. Religionswissenschaftler können im
Journalismus oder in den Bereichen Verlagswesen, Kulturmanagement und
Verbände tätig sein und in die Öffentlichkeit wirken. Natürlich melden
sich auch Vertreter anderer Fachrichtungen zu Wort und erzeugen
Turbulenzen in den Fachzeitschriften, aber auch in den Feuilletons:
Beispiele Jürgen Habermas und Jan Assmann
1. In seiner 2005 erschienenen Aufsatzsammlung „Zwischen
Naturalismus und Religion“ empfiehlt Jürgen Habermas das Ende
eines strikten Säkularismus. In dem Text „Religion in der
Öffentlichkeit“ rät er dem säkularen Bürger, aus den Beiträgen ihrer
religiösen Mitbürger zu lernen. Ausgerechnet Habermas, der Vertreter
religionsfreier Aufklärung. Warum? Der liberale Staat habe ein Interesse
"an der Freigabe religiöser Stimmen in der politischen Öffentlichkeit".
Weil er nicht wissen könne, "ob sich die säkulare Gesellschaft sonst von
wichtigen Ressourcen der Sinnstiftung" abschneide.
2. In „Der Spiegel“ Nr. 52 von 2006 gibt der Heidelberger Orientalist
Jan Assmann ein Interview, das den Titel trägt: „Eine neue Form
der Gewalt (…) über die Intoleranz der monotheistischen Religionen.“
Außerdem wurden im Titelthema über Echnaton als Begründer des
Monotheismus Aussagen von ihm verwendet. Das brachte ihm einen
Antisemitismusvorwurf von Micha Brumlik ein. In verschiedenen
öffentlichen Äußerungen, konnte Assman darlegen, dass die von ihm
behandelte Thematik des mit Religion verbundenen Gewaltproblems überaus
komplex sei. Sich für eine populärwissenschaftliche Darstellung also nur
bedingt eigne. Laut Assmann verrühre der Artikel seine These in einer
ungenießbaren und antisemitischen Suppe.
Heidelberger Symposium
Screenshot der Website
Mit vielen aktuellen Themen zu Religion und Gesellschaft beschäftigt
sich der „Heidelberger Club“ in seinem Symposium 2007. Angeregt von dem
neuen Interesse an Religion, will es eine Fülle von Fragen behandeln,
die sich daraus ergeben. Und sie in einen interdisziplinären
Gesamtzusammenhang stellen.
Der „Heidelberger Club für Wirtschaft und Kultur e.V.“ ist eine
unabhängige Studenteninitiative, die bereits beachtliche Aktivitäten
entwickelt hat. Veranstaltungsort werden Räume der Universität und ein
großes Zelt auf dem Universitätsplatz sein. Termin ist der 10. bis 12.
Mai. Das Organisationsteam steht schon, Einzelheiten müssen noch mit den
(vermutlich wieder) zahlreichen Referenten festgelegt werden.
Weiterführende Links
chrismon als Online-Magazin
http://www.chrismon.de/
Zu Öffentlichkeitsarbeit und Medienkompetenz
http://www.akademie-rs.de/ro.html
http://www.ekkw.de/einrichtungen/medien.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/72484
http://www.die-bonn.de/zeitschrift/22003/hugger03_01.htm
Vortrag von Heinrich de Wall über die 6. Nachricht („Adventsempfang“)
unter
http://www.ekkw.de/aktuell/archiv_2650.html
Zum Ethikrat
http://www.ethikrat.org/
Zwei Themen aus der Religionswissenschaft
http://www.uni-heidelberg.de/presse/ruca/ruca2_2001/ahn.html
„Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.“
http://www.br-online.de/alpha/campus/vor0502/20050202.shtml
Zu Habermas und Assmann
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=8850&ausgabe=200512
http://www.wams.de/data/2005/12/18/819604.html?s=1
http://spiegelkritik.de/2007/01/05/offener-leserbrief-assmann-distanziert-sich/
Heidelberger Club
www.heidelberger-symposium.de
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