Buddhismus – hier
und jetzt
von Helmut Dörfler
Arbeitsteilung
Erfreulich, dass auch der LernCafe-Redakteur Roland Huber in dieser
Ausgabe über Buddhismus schreibt und sich mit den - neben dem Dalai
Lama - hier im Westen wohl bekanntesten buddhistischen Zeitgenossen, dem
vietnamesischen Mönch, Zen-Meister und Poeten Thich Nhat Hanh befasst
(siehe: „Spirituelle Globalisierung, Thich Nhat Hanh“). Den wohl
nüchternsten Einstieg ins Thema bietet der Zen-(chinesisch: Chan-)
Buddhismus. Er stellt die regelmäßige Meditationspraxis in den
Mittelpunkt. Hierzu ein Zitat aus dem Buch von Shunryu Suzuki „Zen.Geist
- Anfängergeist“: „Wenn wir daher über Religion sprechen, sollte dies in
der alltäglichsten und umfassendsten Weise geschehen. Wir sollten nicht
versuchen, unseren Weg mit wunderbaren philosophischen Gedanken
anzupreisen.. … Wenn ihr redliche Buddhisten sein wollt, ist der beste
Weg, zu sitzen“ (japanisch: zu za-zen).
Weitere Eingrenzung
Dalai Lama; Quelle: „Titelheft Buddhismus aktuell“
Beschränken wir uns ferner auf Buddhismus jetzt und hier, also im
Westen. Schon Arthur Schopenhauer fand daran großen Gefallen - „Diese
Religion (nämlich der Buddhaismus) welche sowohl wegen ihrer inneren
Vortrefflichkeit und Wahrheit als wegen der überwiegenden Anzahl ihrer
Bekenner als vornehmste auf Erden zu betrachten ist“ - oder Hermann
Hesse und heute prominente Buddhisten wie Richard Gere, Tina Turner oder
Alan Ginsberg. Aufschlussreich dazu ein Artikel von Alois Payer,
Indologe an der Tübinger Uni mit dem Titel „Buddhismus im Westen.
Beispiele aus Deutschland und den USA“. (siehe Links)
Zugang als Laie
Buddha, sitzend; Quelle: Deutsche Buddhistische Union
Buddhismus erschließt sich nicht (allein) durch Lesen. Sondern im
gleichen Maße durch regelmäßiges Praktizieren im Alltag – allein, in
Gruppen bei regelmäßigen Retreats oder gemeinsam mit Gleichgesinnten.
Und durch Belehrungen, wie sie vom historischen Buddha Siddhartha
Gautama (563 bis vermutlich 483 v. Chr.) überliefert werden. Der Prinz
aus lokalem Adelsgeschlecht erlangte Im Alter von 35 Jahren Bodhi
(„Erleuchtung“, „Erwachen“) und wurde danach als Buddha (der Erwachte)
bezeichnet. Er lehrte bis zum 80ten Lebensjahr und brachte damit die
buddhistische Lehre – das Dharma – in die Welt. Danach ging er in das
endgültige Pari-Nirvana ( das Verwehen) ein. Nach traditioneller
Überlieferung wird man als Laie Buddhist durch die „dreifache Zuflucht“
zu Buddha, zur Lehre (Dharma) und zu der Gemeinschaft jener, die Buddhas
Lehre verwirklichen (Sangha).
Westlicher Buddhismus
Anagarika Govinda; Quelle:Deutsche Buddhistische Union
Lama Anagarika Govinda (1898 bis 1985, bürgerlich Ernst Lothar
Hoffmann) gründete 1933 den Orden Arya Maitreya Mandala, der sich auch
in Deutschland etablierte. Zitat: „Wir wollen unsere Mitglieder nicht
zu kleinen Indern, Tibetern, Japanern oder Chinesen machen, sondern …
zunächst einmal das Wesen unserer eigenen abendländischen Tradition und
Kultur … begreifen, um davon ausgehend die Traditionen anderer Kulturen
zu studieren und sie verstehend achten lernen.“ Payer kommentiert das
so: Man wolle nicht den exotischen „Räucherstäbchen-Buddhismus“
kultivieren, sondern Buddhismus eher als Anleitung verstehen, „die
Wirklichkeit selbständig anders anzuschauen.“ Ich erspare mir und den
Lesern hier aus Platzgründen, die Vielfalt buddhistischer Schulen und
Traditionen zu erläutern.
Weltreligion?
Zen-Kalligraphie; Quelle:
Deutsche Buddhistische Union
Mit weltweit etwa 375 Millionen Anhängern liegt Buddhismus auf Platz
vier hinter
Christen
(etwa 2,1 Milliarden), dem
Islam
(etwa 1,3 Milliarden), dem
Hinduismus
(etwa 850 Millionen). Buddhismus war missionarisch nie aktiv. Durch
seine vielfältigen Fortentwicklungen ähnelt er aus westlicher Sicht
jedoch eher einer Denktradition oder Philosophie als einer Religion und
umfasst auch eine höchst differenzierte Form der Psychologie. Nochmals
Shunruy Suzuki, der berühmte japanische Zen-Meister, der 1958 Zen in
die USA brachte und dort das erste Zen-Kloster außerhalb Asiens
gründete: „Es ist in Ordnung, dass die Leute, die an ihrer Kultur zu
sehr anhaften, kritisch sind. Ihre kritische Haltung bedeutet, dass sie
zu der einfachen Wahrheit, die der Buddha hinterlassen hat,
zurückkehren.“
Atheistisch?
Im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen der Juden, Christen und
Moslems kennt Buddhismus keinen allmächtigen Gott oder eine ewige
Seele. Dies und die Ignoranz des Kastensystems unterscheiden ihn auch
von Hinduismus und Bramanismus, mit denen ihn hingegen die östliche
Karmalehre verbindet. Der zitierte Alois Payer hat dazu einen reizvollen
Vortrag ins Netz gestellt „Der Buddhismus – eine atheistische Religion“,
der so schließt: „Buddhismus ist (im Sinne Luthers) insofern
atheistisch, als für den Buddhisten alle Götter, auch der Gott der
Juden, Muslime oder Hindus, Abgötter sind, wenn man sein Herz an sie
hängt. Nebenbei verschwindet damit auch das Problem der Theodizee (Eugen
Drewermann: „Ein Gott, der alles kann, aber nichts tut, ist nicht
glaubwürdig angesichts von unendlich viel Leid auf Erden.“).
Vier Edle Wahrheiten
Die Deutsche
Buddhistische Union (DBU) bezeichnet sie als den Kern der Lehre des
Buddha und benennt sie so:
- Wahrheit vom Leiden: Das Leben im Daseinskreislauf ist
letztlich leidvoll. Dies ist zu durchschauen.
- Wahrheit von der Ursache des Leidens: Die Ursachen des
Leidens sind Gier, Haß und Verblendung. Sie sind zu überwinden.
- Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: Erlöschen die
Ursachen, erlischt das Leiden. Dies ist zu verwirklichen.
- Wahrheit von dem Weg zur Aufhebung des Leidens: Zum
Erlöschen des Leidens führt ein Weg, der Edle Achtfache Pfad. Er ist zu
gehen.
Diese vier edlen Wahrheiten können als kürzester Ausdruck der gesamten
Lehre des Buddha und als gemeinsamer Nenner aller buddhistischen
Richtungen bzw. Schulen gesehen werden. Die genannte vierte Wahrheit
beschreibt den praktischen Weg, der zur Leidensüberwindung führt, eben
den genannten
Achtfachen Pfad.
(siehe Homepage der DBU)
Karma
„Buddhisten denken … in geologischen und paläontologischen Zeiträumen
mit vielen Wiedergeburten. Darum hat man mit sich selbst und mit anderen
viel Geduld.“ (A. Payer). Und Buddhisten denken nüchtern: Ich bin dem
Alter unterworfen. Ich kann dem Alter nicht entgehen. Ich bin der
Krankheit unterworfen. Ich kann der Krankheit nicht entgehen. Ich bin
dem Tod unterworfen. Ich kann dem Tod nicht entgehen. Alles was mir lieb
und angenehm ist, ist der Veränderung unterworfen Es gibt keine
Möglichkeit, dem Getrenntsein von Liebem zu entgehen. Mein einzig wahrer
Besitz sind meine Taten. Ich kann den Konsequenzen meiner Taten nicht
entgehen. Meine Taten sind der Boden, auf dem ich stehe. (Buddha). Und
die „Konsequenzen der Taten: Das ist mein persönliches Karma – eine
Sichtweise, die uns eine wichtige Ursache von Leiden erkennbar macht.
Buddhistische Ethik
Wer sich auf Buddhismus einlässt, dem wird ein Training in
Sittlichkeit vorgeschlagen Konkret sind das die fünf
Achtsamkeitsübungen:
- Achtung vor dem Leben
- Großzügigkei
- Sexuelle Verantwortung
- Aufmerksames Zuhören und liebevolles Sprechen und
- Achtsamer Umgang mit Konsumgütern, Vermeiden von Rauschmitteln.
Oder, wie die Deutsche Buddhistische Union es positiv zusammenfasst:
„Zu allen Wesen will ich unbegrenztes Wohlwollen, Mitgefühl, Mitfreude
und Gleichmut entfalten, im Wissen um das Streben aller Lebewesen nach
Glück.“
Auf deren Homepage lässt sich auch nachzulesen über Erlösung und
Erleuchtung, über Nirwana und das, was Thich Nhat Thanh „Intersein“
nennt: Die komplexe Vernetzung, das Allverwobensein aller universellen
Phänomene.
Nachtrag
Connection – eine Zeitschrift fürs Spirituelle, hat mehrere Specials
über Buddhismus veröffentlicht, darunter im März 01 die Ausgabe
„Buddhismus im Westen“
Zugehörige Links:
www.payer.de
www.lama-govinda.de
www.cuke.com.
www.buddhismus-deutschland.de
www.connection.de
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