Interview zu
Pilgerwegen
Bus/Fußwallfahrt Jakobsweg
von Hildegard Keller
Vorbemerkung
Im zweimonatigen Rhythmus
treffe ich mich mit einer Gruppe zur Bearbeitung eines
Themas.
Bei einer dieser Gruppenabende wirkte Karins begeisterter Bericht
über ihre Erlebnisse auf der Fußwallfahrt des Jakobsweges ansteckend.
Ich fasste den Entschluss, ein Interview mit den Organisatoren der
Pilgerwallfahrt für das Lerncafe in die Wege zu leiten. Der Kontakt mit
den Herren Schneller und Dillmann war bald hergestellt.
Herr Schneller organisiert Buswallfahrten für den Jakobsweg,
Herr Dillmann Fußwallfahrten.
Bus-/Fußwallfahrt Jakobsweg
Die Buswallfahrten
Herr Schneller, was
veranlasste Sie, Bus-Pilgerreisen zu organisieren?
Antwort
Seit 1968 bin ich in der weltweit bekannten und verbreiteten „Cursillo-Bewegung“
engagiert. Sie entstand auf Mallorca im Umfeld einer Pilgerschaft junger
Christen nach Santiago de Compostela.
Mit meiner Frau beschloss ich, vor allem die spirituelle Dimension des
Jakobsweges zu fördern. Bestärkt wurden wir dabei u. a. durch den
Europarat in Straßburg, der den Jakobsweg 1987 zur
„Kulturstraße Nummer Eins in Europa“ erklärte.
Wir wollten den Jakobsweg für Menschen erschließen, die aus körperlichen
und zeitlichen Gründen eine Fußwallfahrt nicht bewältigen können.
Wirkliche Pilgerschaft ist keinesfalls nur eine Sache der
Füße. Es ist vor allem eine Sache des Herzens. Die Fußwallfahrt ist zwar
eine Hochform der Wallfahrt; doch auch unsere Bus-Pilger erfahren die
Mystik des Weges und des Unterwegsseins.
Vor der Santiago-Kirche in
Sangüsea/Navarra
Die Fußwallfahrten
Herr Dillmann, was
veranlasste Sie, Fußwallfahrten für den Jakobsweg zu organisieren?
Antwort
Wie Herr Schneller fand ich durch die Cursillo-Bewegung und das
Cursillo-Haus St. Jakobus in Oberdischingen Gleichgesinnte, deren
Anliegen es ist
den Glauben weitergeben, ganzheitliche Erfahrungen vermitteln und Mut zu
neuem Aufbruch schenken.
Bei einer Festveranstaltung anlässlich des Patroziniums des hl. Jakobus
(25. Juli) kam der Gedanke auf, mit 7 Gruppen eine Fußwallfahrt in
Etappen von Ulm bis zum Bodensee (ca. 20 km) zu machen.
Jede Gruppe ging ihre Wegstrecke mit je einem Begleiter.
Aus dieser Erfahrung heraus fanden sich ehrenamtliche Betreuer, die in
verschiedenen Angeboten sowohl Ein- als auch Mehrtages-Wallfahrten
unternehmen.
Die Vorbereitung:
Innerer Weg - Realer Weg
Cursillohaus St.
Jakobus Oberdischingen
Herr Sch. wie verläuft
die Vorbereitung auf eine Wallfahrt?
Antwort
Ich würde sagen, bei der Vorbereitung von Pilgerreisen gibt es die
Vorbereitung des inneren Weges und des realen Weges.
In unserem Cursillo-Haus St. Jakobus gibt es u. a. auch
Seminare für Pilger und Begleiter. Sie sind sehr gut besucht und
beliebt als Motivationshilfen.
Unsere „Geistlichen Pilgerreisen“ nach Santiago de Compostela wurden
vor allem durch Werbung von Mensch zu Mensch bald in ganz Deutschland
bekannt, so dass die Reisetermine meist schon ein Jahr im Voraus
ausgebucht waren bzw. sind.
Herr Dillmann, gilt das auch für die Fußwallfahrten?
Antwort.
Ja, die Vorbereitungen machen alle Pilger und Pilgerbegleiter gemeinsam
im Cursillo-Haus. Wir haben ja alle das gleiche Anliegen!
Der innere Weg
Herr Sch. was bezeichnen Sie als „inneren Weg“?
Antwort.
Der Ablauf eines Pilgertages hat seine Regeln: Die Meditation am Morgen,
Zeiten der Stille, die Feier des Gottesdienstes an bestimmten, markanten
Orten, nicht zuletzt die Gemeinschaft im Bus. Vor allem sie bereitet den
„inneren Pilgerweg des Vertrauens“ (nach Roger Schutz). Dieser Prozess
ist manchmal so mühsam wie ein Fußmarsch durch Regen und schwieriges
Gelände.
.
Herr D. wie sehen Sie den „inneren Weg“ bei den Fußwallfahrten?
Antwort
Spezielle Tagesthemen ergeben sich aus der Natur, der uns umgebenden
Schöpfung oder dem von Menschen Geschaffenen.
Hören, Lauschen, Riechen, Sehen, Schauen führen zu bewusstem Gehen. Ich
finde dabei meinen eigenen Lebensrhythmus, entdecke auch wieder die
Zeit. Der Weg wird zu einem Stück Leben, das ich in menschlicher
Gemeinschaft mit dem Einen erlebe, der das Leben ist.
Besonderheiten auf den einzelnen Wegstrecken (markante Bäume, besondere
Ausblicke, Kapellen und Kirchen) sollen in ihrem Wesen erkannt und in
die einzelnen Lebenswege integriert werden.
.
Der reale Buspilgerweg
Nun ist ja für jede Leserin/jeden Leser klar, dass eine
Buspilgerreise anders abläuft als eine Fußwanderung. Aber dennoch die
Frage Herr Sch. Wie planen Sie den äußeren Ablauf Ihrer Buspilgerreisen?
Antwort
Festgelegt werden muss zunächst der Termin der Pilgerreise, dann
die Unterkünfte in Frankreich und Spanien, der Ausgangspunkt (bei
uns in der Regel Oberdischingen bzw. Freiburg), die Gliederung der 14
Tagesetappen (Siehe dazu Rubrik Materialien Links/Literatur zu
Pilgerreisen).
Jede Etappe hat ihre religiösen und kulturellen Höhepunkte.
Kunsthistorische Führungen und der fast tägliche Gottesdienst in einer
der schönen romanischen Kirchen an unserem Weg sind fester Bestandteil
des Programms.
Picknicks unter freiem Himmel tragen zur fröhlichen Gemeinschaft, zu
Begegnungen und zum Miteinander-Teilen bei. Wander- und Pilgerlieder
begleiten uns durch die Tage.
In Santiago de Compostela bleiben wir drei volle Tage mit
detailliertem Programm (Siehe Materialien)
Unsere Rückreise über die Nordküste vermittelt viele weitere neue
Eindrücke (s. Materialien).
Der reale Fußpilgerweg
Herr D. worauf müssen Sie bei der Vorbereitung der Strecke achten?
Antwort
Mir ist immer bewusst - ich übernehme Verantwortung für andere Menschen.
Das bedeutet neben der geistig-spirituellen die rein
organisatorische Planung
Festgelegt werden müssen: Der Termin, die Dauer…, der
Weg in seinen Teilstrecken (Verlauf, Länge,
Schwierigkeiten), mögliche Gestaltungselemente (Pausen,
Unterstellmöglichkeiten, Übernachtungsangebote).
Nach Klärung dieser Vorgaben erfolgt die Ausschreibung der Wallfahrt.
(sehr wichtig ist darin die klare Formulierung der Erwartungen an
die Teilnehmer).
Eine gewisse Kenntnis der menschlichen Psyche, Erfahrung in der Führung
von Gruppen sowie eine gesunde persönliche Spiritualität sind
Voraussetzungen für das Gelingen einer Fußwallfahrt.
Bleibende Eindrücke
Sicherlich haben Sie auf Ihren Pilgerreisen Erlebnisse, die sich
einprägen. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern von einigen
erzählen?
Antwort
Buswallfahrt
Herr Sch.
Da lasse ich am besten einen Reiseteilnehmer stellvertretend für viele
sprechen: „Wir haben eine beeindruckende Pilgerreise erlebt. Wir haben
wunderschöne, erfüllte Tage mit Ihnen verbracht...Sie haben uns auf
unserem gemeinsamen Pilgerweg geführt – von der Neugier zum Staunen, vom
Wahrnehmen zum Erkennen…Wir konnten unsere innere Kammer füllen… Aus dem
Reichtum des Erlebten und Erfahrenen können wir unseren Familien und
Freunden viele Schätze mitbringen…“
In den Dankschreiben werden immer wieder die gute Organisation und das
harmonische Zusammenspiel aller Komponenten betont.
Antwort
Fußwallfahrt
Herr D.
Bei den Wallfahrten, die ich mit meiner Frau und teilweise auch allein
ging hat sich mein traditionelles Christsein zu einem entscheidenden Weg
mit Christus gewandelt.
Nach meiner Pensionierung 2004 konnte ich endlich meinen großen Wunsch
erfüllen: Die Fußwallfahrt der gesamten Strecke
Der Jakobsweg vermittelt jedem Pilger seine eigene Botschaft.
Einmal trafen wir einen Radpilger. Er schob das defekte Fahrrad neben
sich her. Gemeinsam behoben wir den Schaden. Dabei erfuhren wir seine
bewegende Lebensgeschichte, an deren Ende der Austritt aus der
katholischen Kirche stand. Nach 7 km Fußwallfahrt bekannte der
Radwallfahrer das Beten wieder gelernt zu haben. Sein Wunsch: Mit uns
das „Vater Unser“ beten. Wir standen nebeneinander, die Hände auf die
Schultern des anderen gelegt und beteten laut das „Vater Unser“.
Solch echte Begegnungen erleben wir immer wieder.
Ankunft Santiago
Worte auf den Weg
Sie stellen Ihre
Pilgerreisen unter das Motto „Geistliche Pilgerreisen – Mit dem Herzen
pilgern“. Was geben Sie unseren Lesern mit auf ihren Lebens-Pilgerweg?
Antworten
Herr Sch.
Ein Wort, das man sich seit Jahrhunderten auf dem Jakobsweg zur
Ermutigung beim Weitergehen zuruft begleitet mich auf meinem Lebensweg:
„Ultreia“ – Auf geht’s, vorwärts!“
Oder ein spanisches Wort, das übersetzt etwa heißt:
Pilger, suche nicht den Weg, der Weg entsteht im Gehen
Herr D.:
Herr Schneller hat recht „Auf geht’s – Vorwärts“ ist ein
Lebensmotto, das man nach der Bewältigung der Höhen und Tiefen des
Jakobsweges bewusst in seinem Alltag lebt.
Ein Satz aus der Grundregel der Herberge in Logrono/Spanien hat für mich
große Bedeutung: „Der Tourist fordert, der Pilger dankt!“
Abschluss
Diesen schönen Schlussworten braucht man eigentlich nichts
hinzufügen!
Hinweis: Zu diesem Interview finden Sie in der Rubrik
Materialien dieser Ausgabe des Lerncafe
Links/Literatur zu
Pilgerreisen
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