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Handwerker in der Rhön

                                    von Erna Subklew
Werberg, ein Dorf in der bayrischen Rhön, gibt es heute nicht mehr. Von seiner Burgruine sollen die Raubritter die Händler, die von Frankfurt nach Fulda zogen, überfallen haben. 1946 war es ein ganz gewöhnliches Rhöndorf.

Das Dorf
Heute kann man das Dorf Werberg nicht mehr entdecken. Einzig das Marterl, das an der Abzweigung der Straße ins Ober- und Unterdorf steht, ist von dem Ort noch übrig geblieben. Der ganze Ort ist von einem dichten Wald bedeckt.
Werberg wurde in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts abgesiedelt, denn man brauchte die Felder, um den bekannten Truppenübungsplatz Wildflecken einzurichten. Die Häuser blieben stehen, dort wurden die Soldaten untergebracht. Nach dem Kriege waren die leer stehenden Häuser ein Segen für die vielen Flüchtlinge. Viele von ihnen fanden hier wieder eine neue Heimat. So entstand das neue Werberg: Ein Dorf mit 276 Einwohnern, die vorwiegend aus den Gebieten des Ostens kamen: Schlesien, Sudetenland, Ostpreußen und einigen, die zu den ursprünglichen Bewohnern gehörten. Den einzelnen Höfen wurden Ackerflächen und Wiesen zugewiesen, etwas mehr als es die früheren Bewohner hatten, denn der Boden der Rhön ist karg.

Leben im Dorf
Wie gesagt, es wurde wieder ein richtiges Dorf und dazu gehörten auch drei Nebenerwerbsstellen, die Schmiede, die Wagnerei und der Gemischtwarenladen. Diese erhielten nur die Hälfte des Grund und Bodens, den die anderen Höfe bekamen. Diese Zuteilung an Land war auch nötig, denn man konnte sich weder von den fünf Hektar Land, das man erhalten hatte, noch von seinem Handwerk ernähren. Es gab 70 Höfe in dem Ort, von denen einer einen Traktor besaß, fünf hatten Pferde, mancher nur eines, andere zwei, und der Rest der Bauern bestellte seinen Acker mit Kühen. Diese Kuhbauern konnten sich einfach kein Pferd leisten. Also verrichteten die Kühe alle Arbeit, die sonst die Pferde taten. Dazu wurden immer zwei Kühe zu einem Gespann zusammengestellt. Schon aus der Zahl der Gespanne ist ersichtlich, dass der Schmied von seinem Handwerk nicht leben konnte.

Die Handwerker
Andererseits lag Werberg so weit von anderen Dörfern entfernt, dass mindestens ein halber Tag draufging, wollte man die Arbeiten in einem anderen Dorf verrichten lassen. Deswegen also wurden der Schmied und der Wagner mit angesiedelt. Der Schmied Ullmann und der Wagner Schmid kamen beide aus dem Sudetenland.
In manchen Gegenden wird der Wagner auch Stellmacher genannt, hier in Werbig, so nannten die Einheimischen den Ort, hieß er Wagner.

Der Wagner
Den Wagner gab es ursprünglich vorwiegend in der Stadt, zu den Zeiten, in denen die Fahrten noch mit Kaleschen, Kutschen, Rollwägen und anderen Fahrzeugen aus Holz durchgeführt wurden. Ende des 19. Jahrhundert verlegten die Wagner ihre Arbeitsstätte dann immer mehr in das Dorf, denn dort wurden die hölzernen Transportmittel noch sehr viel länger verwendet.
So baute unser Wagner denn auch die Leiterwagen für das Heu und Getreide, die Kastenwagen für die Rüben und Kartoffeln und anderes kleinteiliges Ladegut. Vor allem aber reparierte er die Räder, die ja auch aus Holz waren, das von einem Eisenreifen zusammengehalten wurde. Manchmal trockneten die Holzteile so aus, dass sie aus dem Eisenreifen fielen.
Im Winter, wenn die bäuerliche Arbeit ruhte und kaum Reparaturen anfielen, verlegte der Wagner Schmid sich auf das Herstellen von Rechen und Skiern. Und die ersten Skier aller Werberger Kinder stammten vom Wagner Schmid. Eines aber machte der Wagner nicht, die Holzklumpen, die alle Rhöner Bauern zu dieser Zeit trugen.

Der Schmied
Der Hof des Schmiedes Ullmann lag an dem Bach, der Werberg durchquert und der eisiges Wasser führt, das sich die Bauersfrauen im Sommer zum Kühlen ihrer Sahne holten. Die Lage war ganz praktisch, denn der Schmied brauchte ja das Wasser für seine Arbeit, um die Hufeisen zu kühlen.
Einen Schmied stellt man sich immer als starken großen Mann vor, denn er muss Kraft haben, wenn er das Pferd beschlägt, vor allem dann, wenn er allein arbeiten muss. Ullman sah nicht sehr stark aus, aber er konnte sich keinen Gesellen leisten.
Zuerst entfernte er das alte Hufeisen und schnitt mit einem Hufmesser das Horn, das seit dem letzten Beschlagen gewachsen war, ab und raspelte die Fläche glatt. Dann suchte er ein passendes Hufeisen heraus, brachte es zum Glühen, kühlte es im Wasser etwas ab und drückte es noch heiß auf den Huf. Durch die Hitze verschmorte das Horn und versiegelte gleichzeitig den Huf. Dann schlug er in den vorderen Teil des Hufeisens sechs bis acht Nägel, allerdings nur so tief, dass sie im Horn blieben.

Die Kühe
Die Kühe, die viel weichere Klauen haben, mussten natürlich auch beschlagen werden. Auf den damals steinigen Wegen der Rhön wäre sonst die Arbeit mit den Kühen nicht durchzuführen gewesen. Hier musste Ullmann viel vorsichtiger vorgehen. Vor allem durfte er nicht zu viel Horn entfernen. Die Kühe bekamen eine Metallplatte, die auf der hinteren Seite einen offenen Ring hatte, auf ihre Klauen genagelt. Der Ring legte sich um eine der Sehnen.
Jede sechs bis acht Wochen mussten Pferde wie Kühe neu beschlagen werden. Aber auch wenn ein Tier einmal lahmte, ging man zum Schmied, denn durch seine lange Arbeit mit den Tieren hatte er sich manche Heilkenntnisse erworben.

Ende des Dorfes
Mit dem Jahre 1953 erfolgte langsam wieder eine Absiedlung der sieben Jahre zuvor Angesiedelten. Die Amerikaner beanspruchten Wildflecken als Truppenübungsplatz. Die Absiedlung dauerte etwa zehn Jahre, dann wohnte keiner mehr in Werberg. Die Häuser mitsamt der Barock-Kirche wurden geschleift und ein, wie es in der Rhön üblich ist, Mischwald wurde gepflanzt. Übrig geblieben ist, wie gesagt, das Wegmarterl und der Friedhof.

Links

Über das Wagnerhandwerk


Museum Geiserschmiede
 

und über den Hufschmied unter

 
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