von Bernhard Peitz Der Bericht beschreibt meine Erfahrungen in dem
Beruf des „Autoschlossers“ und die Entwicklungen dieses Berufes zum heutigen
„Kraftfahrzeug-Mechatroniker“ in der Zeit von 1960 bis 2010.
Die Berufswahl
Unser erstes Auto
Mein Vater war ein leidenschaftlicher Autoschlosser, Kundendienstberater und
Betriebsleiter eines Kraftfahrzeug-Betriebes. Wir fuhren in den 1950er Jahren
einen VW-Käfer, den er aus einem alten VW-Militärfahrzeug aufgebaut hatte und
der jeden Winter in der Garage teilzerlegt und überholt wurde. Schließlich
musste er uns im Sommer wieder sicher in den Urlaub fahren können. So kam ich
schon als kleiner Junge mit dem Beruf des Autoschlossers in intensiven Kontakt
und es gab für mich eigentlich nur ein berufliches Ziel: „Kraftfahrzeug-Handwerksmeister“
und das wurde von den Eltern nicht nur unterstützt, sondern eigentlich auch
erwartet, denn der Meistertitel war meinem Vater durch die Wirren des zweiten
Weltkrieges verwehrt geblieben.
Die Lehre
Ich als Lehrling
Lehrjahre sind keine Herrenjahre, aber wenn der Beruf nicht nur ein Job ist,
sondern Herzenssache, dann kann einen nichts schrecken. Am 01.April 1960 begann
die Lehre. Anfangs ganz kurz gehalten und unter strenger Aufsicht ging es an
die ersten Arbeiten (Abschmieren, Teile reinigen, Werkstatt fegen). Im Lehrplan
stand die spanabhebende Metall- und Holzbearbeitung (Bohren, Sägen, Feilen).
Nach und nach wurden die Arbeiten am Fahrzeug komplexer und die Selbständigkeit
immer größer. Ich war in einer LKW-Werkstatt und es war körperlich anstrengend,
aber trotzdem schön. Im 2. und 3. Jahr stand im Lehrplan die kalte und warme
Metallbearbeitung (Schweißen, Schmieden, Bleche treiben) und im 4. Jahr die
Kraftfahrzeugelektrik. Jetzt erledigte ich die meisten Arbeiten selbständig und
hatte auch einen Lehrling aus dem 1. Lehrjahr zugeteilt.
Die Anforderungen Die Fähigkeiten der Metall- und Holzbearbeitung zu entwickeln war in der Ausbildung
ein zentraler Punkt. In der Werkstattpraxis wurde dies auch wirklich gebraucht.
Der Verschleiß der mechanischen Bauteile war groß und die Verfügbarkeit genau
passender Bauteile gering. Vieles musste selbst gefertigt, oder zumindest
passgenau nachgearbeitet werden. Nach dem Krieg gab es viele Versehrte, denen
ein Bein oder ein Arm fehlte und die sich Ende der 60er und Anfang der 70er
Jahren erstmals ein Auto leisten konnten. Die angebotenen Hilfsmittel mussten
mit viel Improvisationstalent und handwerklichem Können an die Fahrzeuge und
Kundenbedürfnisse angepasst werden. Das KFZ-Handwerk hatte eine hohe
Attraktivität. Nachwuchssorgen gab es keine. Die Betriebe konnten sich ihre
Lehrlinge aussuchen.
Die Entwicklung der Aufgaben
Langsam änderte sich die Situation. Die mechanischen Komponenten wurden immer
verschleißfester und die verfügbaren Ersatzteile immer perfekter. Ende der
70er, Jahre verkam der Beruf zum „Mach weg- Mach hin Monteur“ und büßte
deutlich an Attraktivität ein. Der einfache Hauptschulabschluss reichte
vollkommen aus. Die Ausbildungspläne schulten weiterhin die alt hergebrachten
Fähigkeiten. Das war eine fatale Entwicklung, denn in den 80er Jahren kamen die
ersten elektronischen Systeme (Benzineinspritzung und ABS) in die Fahrzeuge. Das
Handwerk war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Gefragt waren plötzlich
umfassende Kenntnisse in der Elektronik und Messtechnik. Die Fahrzeughersteller
legten kurzfristig entsprechende Qualifizierungsprogramme auf, die aber nur
einen kleinen Teil der Mitarbeiter im Handwerk erreichen konnten.
Die eigene Entwicklung
Ich selbst war zu dieser Zeit schon lange Kraftfahrzeug-Handwerksmeister,
staatl. geprüfter Betriebstechniker, hatte mich einige Jahre im Auftrag eines
großen LKW-Herstellers im Außendienst um die Lösung technischer Probleme oder
verunglückter Kundenkontakte gekümmert und war jetzt im Service-Training für
die Weiterqualifizierung des Werkstattpersonals in der weltweiten
Vertriebsorganisation zuständig. Die Aussichten waren ganz klar. Ohne umfassende
Kenntnisse in der Elektrik und Elektronik gab es weder für mich noch für meine
Kursteilnehmer eine zufrieden stellende Zukunft. Also drückte ich
nebenberuflich noch einmal die Schulbank und qualifizierte mich zum
Elektroniktechniker und erweiterte die Kursangebote an die
Service-Organisation.
Der Einzug der Elektronik
In den 90er Jahren folgte dann eine stürmische Entwicklung hin zu
elektronischen Systemen. Alles was vorher irgendwie mechanisch erfasst und
ausgeregelt wurde hatte nun plötzlich elektrische Sensoren, elektronische
Steuergeräte und elektrische Aktuatoren (Stellmotoren/Magnetventile). Zunehmend
wurden die anfangs eigenständigen Systeme untereinander verknüpft und damit
voneinander abhängig. Heute sind 40 – 50 elektronische Steuergeräte in mindestens
drei verschiedene CAN-Datenbusse untereinander vernetzt. (Antriebs- und
Sicherheitssysteme, Komfortsysteme, Entertainmentsysteme).
Vernetzung
An einem Fahrzeug wird z.B. der Scheibenwischer langsamer, wenn man die Tür
öffnet. So wird sichergestellt, dass er das Wischwasser nicht auf die offene
Tür wirft und die Ablagetasche in der Tür versifft. Die Elektronik macht’s
möglich.
Reaktion des Handwerks
1998 hat das Handwerk endlich reagiert und den Servicetechniker eingeführt, der
sich nach einer entsprechenden Zusatzausbildung von der Industrie- und
Handelskammer durch Ablegen einer Prüfung zertifizieren lassen kann. Er ist in
der Werkstatt zwischen dem Gesellen und dem Meister angesiedelt. Seine
Hauptaufgabe ist es, Störungen in den elektronisch/mechanischen Systemen zu
diagnostizieren und zu beseitigen. Seit 2001 sind dann auch die Lehrpläne der
Auszubildenden an die neuen Herausforderungen angepasst worden. Der ehemalige
Mechaniker heißt jetzt Mechatroniker (ein Kunstwort aus Mechaniker und
Elektroniker). Die Anforderungen sind heute so hoch, dass sie ein Hauptschüler
nur noch schwer erfüllen kann. Schüler aus den höheren Schulen interessieren
sich noch nicht in ausreichender Zahl für diesen Beruf.
Meine persönliche Sicht
Ich habe mich in der Freizeit in vielen schönen Berufen betätigt (Bäcker,
Metzger, Maurer, Fliesenleger ...) Für mich persönlich ist der „Autoschlosser“
nach wie vor einer der schönsten Berufe die es gibt. Es macht einfach Freude,
wenn es gelingt, einen toten Motor zum Leben zu erwecken. Der Beruf ist
zukunftsträchtig und mit entsprechender Zusatzausbildung auch Startplatz für
eine solide Karriere. In meiner Jugend war er mein Hobby, später mein
Broterwerb und heute im Alter ist er wieder mein Hobby. Leider stehe ich heute
oft hilflos neben meinem Auto, weil ich die notwendige Hard- und Software zur
Diagnose und Instandsetzung nicht habe. Ich muss mich dann auf meine aktiven
Kollegen verlassen. Diese sind aber heute bestens ausgestattet und auf ihre
Aufgaben vorbereitet.
Verantwortung und Kundenkontakt
Der Mechatroniker ist ein Beruf, der hohe Anforderungen an die kognitiven und
handwerklichen Fähigkeiten stellt. Er erfordert logisches Denken und
analytisches Vorgehen, und er erfordert ein hohes Verantwortungsbewusstsein.
Nicht auszudenken, was alles passieren kann, wenn einmal eine Radschraube nicht
richtig angezogen, oder ein Update für das Steuergerät der Bremsanlage
vergessen wurde.
Nicht zuletzt erfordert er ganz persönliches Einfühlungsvermögen. Der Kunde
kommt in der Regel wegen einer Störung, deren Beseitigung ihn vermutlich viel
Geld kosten wird, sehr verärgert in die Werkstatt. Aber genau das ist das
Schöne am Handwerk. Anders als in der Industrie steht der Handwerker, egal
welchen Berufes, immer im direkten Kundenkontakt und damit immer direkt am
Menschen.