50 - Wasser arrow 50 - Wasser arrow Wasser ist Leben arrow Leben und Wohnen an Flüssen
Leben und Wohnen an Flüssen
                                     von Erdmute Dietmann-Beckert
Zu zwei Flüssen habe ich eine persönliche Beziehung. Sie gehören zu meinem Leben. Der eine fließt durch Hessen und bleibt bis zur Mündung in den Rhein in Deutschland. Der andere ist ein europäischer Strom, der von der Quelle bis zur Mündung durch neun Länder fließt.

Kindheit und Jugend
Illustration
Ufer bei Leun

Geboren wurde ich in dem winzigen Städtchen Leun an der Lahn. Der Name stammt  vermutlich vom keltischen Wort Loyne für Lahn. Der Ort liegt zwischen den zwei bekannten Lahnstädten Wetzlar und Weilburg. Bis in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts konnten Jung und Alt im Sommer in der Lahn baden. Ich habe mir dort nach dem Vorbild der älteren Kinder das Schwimmen beigebracht. Heute ist das nicht mehr möglich. Das Wasser ist verschmutzt. Dafür gibt es jetzt flussaufwärts einen Bootsverleih. Paddler mit und ohne Schwimmwesten gleiten talwärts bis Weilburg oder weiter. Nach wie vor geht die Lahn im Winter über die Ufer und überschwemmt  Wiesen, Gärten und Straßen. Vor der Klimaerwärmung verwandelte der Frost  die Lahnauen in wunderbare Eislaufflächen, die auch mich zum Schlittschuhlaufen einluden.

Studium und Beruf
Das Studium führte mich nach Heidelberg am Neckar mit der Alten Brücke und nach Karlsruhe mit dem Rheinhafen. Mein erster Arbeitsplatz war in Neuburgweier am Rhein. Dort konnte ich die großen Rheinfrachter vorbei ziehen sehen. Die Ehe brachte mich an die Donau: nach Ulm und Neu-Ulm. Die Donau ist hier die Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern. Im täglichen Miteinander ist davon nichts zu spüren. Die drei großen Brücken  und der Fußgängersteg verbinden die beiden Städte. Das Münster von Ulm mit seinem höchsten Kirchturm überragt beide. Und in der Donau spiegelt sich die Kulisse Ulms oder Neu-Ulms, je nachdem wo ich stehe.
Illustration
An der Donau

Die „Ulmer Schachtel“, ein Boot, das im Sommer von Ulm nach Wien unterwegs ist, trägt die Ulmer Farben schwarz-weiß und fährt nur talwärts. Solche Schiffe transportierten früher Menschen und Waren. Die „Schachtel“ wurde am Zielort zerlegt. Heute handelt es sich um Erinnerungsfahrten, und es ist eine touristische Attraktion.

Ein Bad mit Folgen
Die Uferwege entlang der Donau laden zu Spaziergängen und Radtouren ein. Bei Hochwasser sind die schmalen Wege überflutet. Wer es wagt, unter diesen Umständen dort zu radeln, dem kann ein unfreiwilliges Bad im kalten Wasser winken. Diese Erfahrung habe ich gemacht: Das Donauwasser schwappte nur hier und da über die Ufer, und ich radelte zur Schule. Ein unvorhergesehenes Hindernis brachte mich aus dem Gleichgewicht, und ich landete samt Fahrrad in der Donau. Meinen Schuh, der davon zu schwimmen drohte, konnte ich noch angeln; mein Rad ließ sich nicht so leicht ans Ufer ziehen. Ein Junge, der mich von der Brücke aus beobachtet hatte, kam herbei gelaufen und fragte: „Is’ was?“ Ich konnte trotzdem lachen, und er half mir. Es heißt, wer einmal in die Donau gefallen ist, wird ihr immer verbunden bleiben.

Ruhestand und Alter
Nach meiner Pensionierung wollte ich wieder studieren. Die Ulmer Universität bietet nur naturwissenschaftliche Fächer und Medizin. In Gießen konnte ich mich für Philosophie und Politik immatrikulieren. So zog ich an die Lahn. Im Jahr 2009 feierte die Universität Gießen ihr vierhundertjähriges Bestehen. Ich wohne wieder an der Lahn, sogar ziemlich nah. Paddler und Ruderer ziehen gemeinsam  mit Schwänen und Enten an meinem Balkon vorbei.
Illustration
Ruderboot auf der Lahn

Im Sommer gesellt sich zu ihnen der „Schlammbeißer“. Das ist ein kleines Schiff, das zwischen den beiden Wehrdämmen talauf und talab in ruhiger Fahrt die Gäste hin und her bringt und den Blick auf die Häuser am Ufer gewährt. Wer mitfahren will, muss sich einer Gruppe anschließen. Das habe ich mir für die nächste Zeit vorgenommen.

Die Lahn
Die Lahn ist nur ein kleiner Fluss. An ihre Quelle im Rothaargebierge bin ich einmal gewandert, an die Mündung bei Koblenz am Rhein geradelt. Die mir wichtigen Städte habe ich besucht. Marburg an der Lahn mit Schloss und Universität. Hier fanden in der Reformationszeit die Religionsgespräche mit Luther und Philipp von Hessen  statt. Der Dom ist nach Elisabeth von Thüringen benannt. Die Universität Gießen trägt den Namen Justus Liebigs. Dieser hat den Fleischextrakt erfunden. Wetzlar mit dem Dom über der Lahn wurde für Johann Wolfgang Goethe der Ort für seine Geschichte „Die Leiden des jungen Werther“. In Weilburg residierten die Fürsten von Nassau. Sie haben das  gelbe Renaissanceschloss auf der Lahnhöhe erbaut. Dort besuchte ich das Gymnasium. Weiter flussabwärts liegt Limburg, die Bischofsstadt, mit dem vieltürmigen Dom. Er steht weithin sichtbar auf einem hohen Felsen über der Lahn.

Die Donau
Die Donau bei Ulm wurde von Napoleon zur Grenze zwischen Württemberg und Bayern erklärt. Wenn der Himmel, der häufig grau erscheint, ist die Donau auch nicht blau. Sie hat aber einen Nebenfluss, der Blau heißt und der einem tiefblauen „Topf“ am Rande der Schwäbischen Alb entspringt. Im Sommer muss die Donau regelmäßig ausgebaggert werden, weil sich im Lauf des Winters zu viel Geröll abgelagert hat. Wenn im Juli ein großes Donaufest gefeiert wird, und die Themenboote mit den Kahnbegleitern zum „Nabada“ auf der Donau sind, sollen sie nicht auf Grund laufen. Die Zuschauer auf der Neu-Ulmer Seite haben außer dem Spektakel auf der Donau die malerische Kulisse der Altstadt mit den Fachwerkbauten und dem Stadttor vor Augen. Schiffbar ist die Donau erst unweit vor Regensburg, dem Sitz des Bischofs. Die Donaudampfschifffahrt lockt viele Touristen. Bis jetzt habe ich noch nicht an einer Schiffsreise teilgenommen. Deshalb weiß ich nicht, ob die Donau bei Wien blau ist, wie es in dem Lied heißt.

Schlussbemerkung
Heute wohne ich abwechselnd am einen oder anderen Fluss. Beide Flüsse sind Teil meines Lebens. In Neu-Ulm habe ich die Donau mit dem Ulmer Ufer vor Augen. In Gießen sehe ich jenseits der Lahn die Kegelberge mit den Burgruinen. Je nachdem wo ich mich aufhalte, bin ich zu Hause.

Links
Marburger Religionsgespräche


Justus Liebig

Dom zu Wetzlar

Schloss Weilburg

Limburger Dom

Neuburgweier

Schwörmontag

Donau.Schifffahrt



 
< zurück   weiter >