Prof. Zenon Weigt hatte uns gebeten, sechs Artikel à ca. 10 Seiten zu korrigieren, die seine Studenten und Doktoranden für ein Buch verfasst haben, das er herausgeben will. Dabei geht es um ganz spezielle Themen aus der Linguistik. Richard hatte einen Artikel übernommen, dann hatte ich aber angeboten, ihm diese Arbeit abzunehmen, weil sie mehr meinem Metier entspricht als seinem. Nach einigen Stunden am Freitag habe ich auch den Samstagmorgen mit dieser Arbeit verbracht.
Für den Nachmittag hatte Roma uns eine Fahrt mit ihrem Auto angeboten. Wir fuhren mit ihr und Zofia auf unseren Wunsch nach Tum, ca. 40 km entfernt, weil wir gelesen hatten, dass dort die größte romanische Kirche des Landes sei. Von außen machte sie einen mächtigen Eindruck, war allerdings nicht im Original des 12. Jahrhunderts erhalten, sondern zu einem guten Teil rekonstruiert. Leider war sie geschlossen, wir konnten nur einen Blick hineinwerfen. In der Nähe entdeckten wir noch ein altes Schloss, in dessen urige Kneipe wir einkehrten.
Zofia, Richard und Dorothee vor der Kirche in Tum
Am Abend waren wir mit Jadwiga und Zofia bei Barbara eingeladen. Nachdem wir das von außen nicht gerade ansehnliche Haus betreten hatten, waren wir völlig überrascht, wie elegant und gepflegt dagegen Barbaras Wohnung war. Wie bei allen Einladungen wurden wir wieder sehr verwöhnt.
Am Sonntag wollten wir einige Museen besuchen, jede/r für sich. Beide mussten wir feststellen, dass sie wegen der Staatstrauer und der Beisetzungsfeierlichkeiten in Krakau geschlossen waren. Richard machte daraufhin eine Fototour durch die Stadt, ich besuchte zwei Kirchen und einen Friedhof mit den berühmten Grabmälern der früheren Fabrikantenfamilien.
Arthur Rubinstein in der Piotrkowska-Straße
Am Nachmittag waren wir wieder eingeladen, diesmal von Bozena und ihrem Mann. Sie holten uns ab und zeigten uns die traurigen Seiten unserer gemeinsamen Geschichte: eine erst im vorigen Jahr in einem Park eingerichtete Litzmannstadt-Gedenkstätte, angelegt in Form eines Davidssterns mit Gedenktafeln für die von Lodz aus deportierten Juden, dazu in den Boden eingelassen – wie in einem Walk of Fame – die Namen der Lodzer, die den Juden geholfen hatten und dafür bestraft wurden.
Bozena, Dorothee und Bozenas Ehemann vor der Gedenkstätte
Dann besuchten wir den ehemaligen Bahnhof Radegast, von wo aus die Juden in die verschiedenen KZs gebracht wurden, und die Reste eines ehemaligen politischen Gefängnisses aus der Nazizeit.
Als wir danach bei Bozena zu Hause waren, konnten wir gemeinsam im Fernsehen die Beisetzungsfeierlichkeiten für den Präsidenten und seine Frau verfolgen, was für uns den Vorteil hatte, dass unsere Gastgeber uns Erklärungen geben konnten für vieles, was wir nicht verstanden. Mit dem Abendessen beschlossen wir einen ernsten, nachdenklich stimmenden Tag.
Dorothee