Die Wilden unter den Kräutern
                                    von Sr. M. Josefa Bölinger op
Wie ein kleines Kräuterparadies mutet der klösterliche Garten an. Da gibt es einen Apothekergarten, einen Duftgarten, eine Kräuterspirale, einen größeren Acker für den Kräuteranbau und Streuobstwiesen, mit einem Insektenhotel und einer Vielzahl von wilden Kräutern.


Wildkräuter und ihre Vergangenheit

Als Jäger und Sammler sind wir Menschen in die Geschichte eingegangen und das nicht zu unrecht. In der Steinzeit erjagten die Männer und sammelten die Frauen und Kinder, was sie für den täglichen Unterhalt brauchten. Und noch im Mittelalter war es üblich, neben dem Ackerbau Kräuter für die täglichen Mahlzeiten und für den medizinischen Gebrauch zu sammeln. Selbst bei den Kräuterbuch-Autoren der frühen Neuzeit finden sich noch Beschreibungen vieler Wildpflanzen.

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Quelle Rolf Plühmer; www.pixelio.de

Auch manche Kochbücher des 19. Jahrhunderts enthalten noch Rezepte zu Sauerampfer, Hopfen und Brunnenkresse. Anders dann im 20. Jahrhundert, als die Wildkräuter in der bürgerlichen Küche total vom Speiseplan verschwinden.
Die medizinische Bedeutung vieler Kräuter wurde schon sehr früh durch die Klöster hervorgehoben und weit verbreitet. Vom Sammeln ging man dazu über sie gezielt anzubauen, haltbar zu machen und zu Medizin zu verarbeiten.

Zurück in die Gegenwart
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das (Kräuter)-Blatt wieder gewendet. Die Gourmetküche ist wieder auf den Geschmack vom wilden Kraut gekommen. Der Boom auf Bärlauch mag ein gutes Beispiel dafür sein. Inzwischen haben sich Feinschmeckerlokale mit ihren Kreationen aus einheimischen Wildkräutern einen beachtlichen Namen gemacht.
Auch die Kräuter aus dem Klostergarten finden ihre Verwendung. Sie dienen beim Rundgang mit den Hausgästen nicht nur zur Bestimmung, sondern entpuppen sich auch als eine wahre Delikatesse. Verarbeitet als Salat, Presssaft, Essig, Salatsoße, Kräuterbutter oder Pesto, Brotaufstrich und Suppe machen sie uns die Köstlichkeiten der Natur wieder neu erfahrbar. Aber nicht nur das: Wir verarbeiten sie – gemäß klösterlicher Tradition – auch zu einfachen Heilmitteln.

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Spitzwegerich Quelle:A.Ströbel, www.pixelio.de

So ensteht im Laufe des Sommers Johanniskrautöl und – tinktur, ein Lippenbalsam aus Malvenblüten und ein hustenstillender Sirup aus Spitzwegerich.

Um welche Kräuter geht es?
Wildkräuter werden in der Regel in der Natur gesammelt, weil sie sich dort den optimalen Standort – entsprechend ihren Lebensbedingungen – selber suchen. Man findet sie an Wegrändern, im Wald, auf Schutthalden, auf Wiesen, Weiden und an Böschungen.

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Klosterwiesen und zufriedene Schafe

Was da so auf unseren Streuobstwiesen wächst sind Löwenzahn, Giersch, jede Menge Gundermann, Scharbockskraut, Rotklee, Vogelmiere, Günsel, Gänsefingerkraut, Wiesenknopf, Spitzwegerich, Ehrenpreis, Wiesenschaumkraut, Sauerampfer, Schafgarbe, Knoblauchrauke und nicht zu vergessen die Brennesseln und Gänseblümchen.
Um die Liste der Wildkräuter noch zu vervollständigen, gehören noch dazu: Veilchen, Johanniskraut, Frauenmantel, Wiesenkerbel, Bärlauch, Dost, Waldmeister, Wilder Heinrich, Beinwell, Pastinak, Malven, Beifuss, Wegwarte, Wilde Möhre, Braunelle, Geflecktes Lungenkraut, Minze, Ackerschachtelhalm, Eibisch, Schlüsselblumen, und Steinklee, um nur die bekanntesten zu nennen.

Worin liegt die Würze?
Die Wildkräuter sind uns zum Teil so fremd geworden, dass wir kaum noch wissen, wie sie schmecken. Mal abgesehen vom Bärlauch, der sich in den letzten Jahren einer beachtlichen Beliebtheit erfreut, oder dem Löwenzahn, haben wir eher wenige Erinnerungen an den Geschmack von wild wachsenden Kräutern. Doch ihre Geschmacksvielfalt und Würzkraft ist ungebrochen.
Neben dem süßlich-milden Duft und Geschmack von Veilchen, Waldmeister und Steinklee überrascht uns die Schärfe von Günsel, Gundermann und Minze. Der Wilde Heinrich schmeckt salzig, Beifuß ist bitter wie Wermut und die Knoblauchrauke, mit ihrer angenehm milden Schärfe gilt als Schnittlauchersatz. Sauerklee und Sauerampfer lassen bereits beim Nennen der Namen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Viele Kräuter haben ihren ganz speziellen Geschmack, wie z.B. die Blüten des Löwenzahns, Spitzwegerich, Ehrenpreis und Giersch.

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Königskerze

Die pelzigen Blüten der Königskerzen schmecken ein bisschen süßlich mit einem zarten Hauch von mildem Sommerduft. Die vielen Geschmacksrichtungen machen die Wildkräuter besonders interessant, so dass sie sich hervorragend zum experimentieren in der Küche eignen.

Inhaltsstoffe Nr.1 
Bei den Bitterstoffen unterscheidet man reine Bittermittel und aromatische Bittermittel. Letztere enthalten zusätzlich noch ätherisches Öl. Durch den bitteren Geschmack wird die Speichelproduktion gesteigert und so die Magen- und Darmmotorik angeregt. Bei empfindlichen Personen können Bitterstoffe zu Kopfschmerzen führen, bei Magen- und Darmgeschwüren und übersäuertem Magen dürfen sie nicht verwendet werden:
Der Name Gerbstoffe leitet sich von der Eigenschaft ab, tierische Haut in Leder umzuwandeln, d.h. zu gerben. Ihre zusammenziehende Wirkung kann man sich sowohl äußerlich (bei Wunden Verdichtung des Gewebes), als auch innerlich (bei unspezifischen Durchfallerkrankungen) zunutze machen.
Die Schleimstoffe dienen dazu, entzündliche Schleimhäute wie mit einem Film zu schützen und somit reizlindernd zu wirken
Für den charakteristischen Duft von Waldmeister und Steinklee ist der Inhaltsstoff Cumarin verantwortlich. Er entfaltet sich erst beim Trocknen. Ein zu reichlicher Genuss cumarinhaltiger Getränke (z.B. Maibowle) kann zu Kopfschmerzen führen.

Inhaltsstoffe klein aber oho
Neben den „Großen“ gibt es eine Vielzahl weiterer Inhaltsstoffe, die unbestritten Großes bewirken. Die umfangreiche Anzahl der Vitamine A, B1, B2, C, D, Eisen, Ätherische Öle, Flavonoide, Glykoside, Kieselsäure, Kalium, Magnesium, Phosphor, Pektin, Kalzium, Senföle, Jod, Fettsäuren, Eiweißstoffe, Karotin und Mineralsalze machen dies deutlich.
Wer mag da noch an der Bedeutung unseres heimischen Wildkräuterreichtums zweifeln? Kaum vorstellbar, das wir ein so hohes Gut nicht wahrnehmen, derweil wir durch die Natur spazieren.

Kräutersammelaktion
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Beim Kräutersammeln

Beim Sammeln sollten ein paar Faustregeln berücksichtigt werden. Man muss die gesuchte Pflanze ganz genau kennen und sich 100% sicher sein, dass alle Pflanzenmerkmale übereinstimmen: Farbe und Form der Blüte, der Blätter, der Stängel, die passende Blütezeit und evtl. auch der Geruch.
An stark befahrenen Strassen, frisch gedüngten oder mit Pestiziden gespritzten Feldern und faulig riechenden, trüben Gewässern sollte man nichts mitnehmen. Gesammelt werden nur saubere und frische Pflanzen. Wenn das ganze Kraut gesammelt wird, sollte man zu Beginn der Blütezeit ernten. Sammeln setzt die Liebe zur Natur voraus. An Standorten mit geringem Pflanzenbestand sollten immer einige Kräuter stehen bleiben, damit sie hier nicht aussterben. Gesammelt werden sollte in einem luftigen Korb und auf keinen Fall in Plastiktüten. Der Korb ermöglicht es auch kleinen Tieren, sich rechtzeitig „abzusetzen“

Zum guten Schluss
Nicht alles, was früher üblich war, ist heute überholt. Das lehrt uns das seit Jahren zunehmende Interesse an den Kräutern. Kräuterprodukte, Wildkräuterwanderungen Klostergärten, Kräuterexperten, erfreuen sich größter Beliebtheit. Bringen wir die Erfahrungen unserer Vorfahren in Verbindung mit den Erkenntnissen der heutigen Wissenschaft, so können wir aus einem großen Reichtum schöpfen.

Tolle Links:

Kräuterwind

Kloster Arenberg

Bildnachweis für die beiden Pixelio-Fotos
www.pixelio.de


Das Buch „Heilkraft aus dem Klostergarten“ von Sr. M. Josefa Bölinger stellt Ursula Fritzle in dieser LernCafe-Ausgabe im Artikel „Himmlische Kräuter“ vor.
Und wer sich speziell für Sauerampfer-Rezepte interessiert, sollte unbedingt den Artikel „Sauerampfer“ von Lore Wagener lesen.

 
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