Ehren-Amt

Erika Zacher *) , Berlin

Ehren-Amt

Ich will es gleich am Anfang sagen: Ich mag das Wort Ehrenamt nicht! Sehen Sie sich, liebe Leser, das Wort geteilt an. Geht es Ihnen nicht ebenso? Es klingt hochtrabend und es assoziiert nicht das, was wir eigentlich unter einer allgemeinnützigen freiwilligen Arbeit verstehen. Amt klingt nach Behörde und nach staatlicher Beteiligung. Doch diese Verbindung ist eher selten. Und Ehre? Also Wertschätzung und Hochachtung bleiben oft auch aus. Dennoch gibt es nicht nur in unserem Land, sondern ich denke weltweit, Menschen, die eine notwendige freiwillige Tätigkeit ausüben und das gern tun. Würden sie alle eines Tages „streiken“ darf man sich die Folgen gar nicht ausmalen.
In einem europäischen Projekt heißt die Aufforderung:
„Erzähle mir von deiner Freiwilligenarbeit!“
Das Wort „Freiwilligenarbeit“ gefällt mir.
Als ich vor 13 Jahren in den Ruhestand ging, schenkte mir eine Kollegin einen Zeitungsausschnitt mit einem Witz. Da wird jemand gefragt:“ Was wirst du tun, wenn du im Ruhestand bist?“ Der Gefragte meint. „ Ich werde mich im ersten Jahr in einen Schaukelstuhl setzen.“ „Und im zweiten Jahr?“ „Da fange ich an zu schaukeln:“
Ich fand den Witz wunderbar und nahm mir vor, das machst du auch.
Ich hatte leider keinen Schaukelstuhl.
Vielleicht lag es daran, dass ich schon nach einem halben Jahr einer Einladung des damaligen Chefredakteurs des WORTSPIEGEL folgte und mir die Redaktionsarbeit der Zeitschrift ansah. Alle arbeiteten dort natürlich freiwillig und unentgeltlich und mit großer ansteckender Begeisterung. Wir hatten Redaktionsmitglieder, denen es nicht leicht fiel, das Fahrgeld für die wöchentlichen Redaktionssitzungen zu bezahlen, denen es schwer fiel aus gesundheitlichen Gründen den langen Weg zu bewältigen bis zu Eberswalderstr, aber sie kamen. Ich war voller Bewunderung. Weit über 80 waren die Ältesten, und ich mit 61 fühlte mich noch sehr jung. Ich denke oft an diese wunderbaren Menschen mit Aufbruchstimmung und Humor und Klugheit, ich denke an Karl- Ernst Reuter, an Bernd Fierke, an Horst- Heinz Meyer, an Hildegard Dockal, von ihnen allen habe ich gelernt, und eigentlich wollte ich doch erstmal im Schaukelstuhl sitzen „Sehen Sie es sich doch einfach mal an“, hatte mich Herr Reuter mit freundlichem Nachdruck aufgefordert, als ich zögerte, seiner Einladung zur Mitarbeit nachzukommen. Ist das wirklich schon 13 Jahre her? Margrit Pawloff, wir kennen uns erst 13 Jahre?
Warum diese lange Einleitung, liebe Leser?
Es gibt so viel freiwillige Arbeit in unserem Land, und ich bin mir sicher, dass jeder unserer Leser auf diesem Gebiet seine Erfahrungen hat. Wie schön wäre es, wenn wir anderen davon erzählen würden? Wie unsere Autorin Dr. Christine Roßberg, die seit mehr als 35 Jahren noch immer liebevoll ihren „Chor der fröhlichen Rentner“ betreut, haben sicher auch Sie Erlebnisse auf dem Gebiet des Ehren-Amtes oder der „Freiwilligen Arbeit“ oder der gesellschaftlich nützlichen Arbeit – wo ist der Unterschied? Wir rufen sie auf, uns darüber zu schreiben und freuen uns sehr auf ihre Texte.

*) Erika Zacher, re. im Bild, ist Mitglied des Bürgervereins Berolina e.V. und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Wortspiegel. In dieser Eigenschaft verfasste sie diesen Schreibaufruf. Das Foto entstand während einer Zusammenkunft der Berliner Gruppe des Europaprojektes.

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