Dieter Maretzky: Statt Karriere Zivilcourage

 

Based on interview conducted by Christa Grawert-Wagner, ViLE e.V., Germany

„Du brauchst dich nicht wundern, dass du bei der Stadt keine Karriere gemacht hast.“ Ganz offen hatte dies vor Jahren ein Ratsmitglied der Stadt Köln zu Dieter Maretzky gesagt. Aber das sei ihm schon klar gewesen, sagt der 64-jährige Diplom-Bilbiothekar. Denn oft habe er die Verwaltung, bei der er angestellt war, als Ehrenamtlicher „kritisch betrachtet.“

Angefangen hatte sein selbstloses Engagement für seine Mitbürger 1974,als er nach Rodenkirchen-Weiß gezogen war. Maretzky war damals stellvertretender Leiter der Schul- und Gemeindebibliothek der damals noch freien Gemeinde Rodenkirchen, südlich von Köln gelegen.  Mit Verve hatte er  sich gegen die Eingemeindung „seiner“ Gemeinde nach Köln engagiert. Unterstützung bekam er unter anderem durch den ortsansässigen Buchhändler Köhl. „Wir haben zum Beispiel etwa 1000 Bücher für unsere Bibliothek gekauft, um zu dokumentieren, dass wir ein eigenständiger Ort sind.“ Doch leider haben die Gerichte dem damaligen bürgerschaftlichen Protest ein Ende gesetzt. Rodenkirchen ist seit 1975 ein Teil der Stadt Köln. Die Gemeindebibliothek wurde eine Zweigstelle des Systems der Stadtbücherei Köln.

Maretzkys berufliches Leben war eng mit der Verwaltung der Stadt Köln verbunden. Er baute beispielsweise die Kinder- und Jugendbibliothek in der Zentralbibliothek im Zentrum der Stadt auf, hatte das Lektorat für Kinder – und Jugendmedien unter sich, beteiligte sich intensiv an der Organisation der Internationalen Kinder- und Jugendbuchwochen und wurde ins Projekt „Kulturhauptstadt“ berufen…und .. und..und…

 

NS-Dokumentationszentrum – eine neue Welt

Marektzy ist seit 2006 zuständig für Öffentlichkeitsarbeit des Kölner NS-Dokumentationszentrums. Er ist zugleich vrantwortlich für den Internetauftritt und arbeitet in Bibliothek des Zentrums mit. Sein Büro, im so genannten EL-DE-Haus, dem ehemaligen Gestapo-Standort Köln, ist vollgestopft mit Büchern, Schriften und Materialien.  „Mehr Nachweise, Bücher, Bilder, Dokumente, zum Thema Nationalsozialsmus in Köln und im Rheinland gibt es nirgendwo sonst.“, erläutert er die ungeheure Anhäufung in den Archiven. Arbeit gibt es genug: Zeitzeugen werden betreut, Forschungen unterstützt, Bücher, oft aus Nachlässen, müssen ausgewertet und registriert werden. „Die drei Halbtagsstellen reichen dafür absolut nicht aus“, bemängelt Maretzky die unzureichende Personaldecke.

Kontakt mit  der Bevölkerung

„Ich hatte schon immer Kontakt mit der Bevölkerung“, sagt Maretzky nicht ohne Stolz.  Dabei meint er nicht die Kontakte, die sich beruflicherseits zwangsläufig ergeben, sondern seine Einbindung in das Gemeinschaftsleben, seines Ortes.  Was er seit rund 30 Jahren als Vorsitzender der Bürgervereinigung Rodenkirchen (BVR) angekurbelt und durchgezogen hat – neben anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten und seiner beruflichen Beanspruchung – ist beachtlich.

Zum Beispiel ging es in den vergangenen Jahren um den Erhalt des Rathauses in Rodenkirchen. Die Stadt Köln wollte alle Dienste zentraler regeln. Dank einer Bürgerinitiative, von Maretzkys  BVR  initiiert, sind zentrale Dienste, wie Pass- und Ordnungsamt, im Ort geblieben. Seit 25 Jahren kämpfen Maretzky und Rodenkirchener Bürger  gegen den Ausbau des südlich gelegenen Industriehafens in Godorf. Ein Naturschutzgebiet wäre gefährdet, Zufahrtswege durch Schwerlastverkehr überlastet.

Maretzky stellt alles auf die BVR-Tagesordung, wie verschmutzte Wanderwege, Pflanzaktion von neun Blumenbeeten, Planung von neuen Sportplätzen, Parkraumkonzept für den immer weiter wachsenden Ortsteil Rodenkirchen und dazu Angebote an Führungen, Veranstaltungen und Museumsbesuchen für die Mitglieder des Ortsvereins. Er  telefoniert, macht Termine, prüft Möglichkeiten der Erkundung, und organisiert Führungen und Veranstaltungen – alles ehrenamtlich.

Außer für die BVR engagiert sich der 64-Jährige in schulischen und außerschulischen Gremien wie dem Turnverein Rodenkirchen.

 

Vollzeitjob als Ehrenamtlicher

„Wenn man wohlauf ist und sich  engagiert, muss man das machen.“ Dabei schließt er neben seiner beruflichen auch seine ehrenamtliche Tätigkeit mit ein.  Unbequem wird er wohl bleiben. „Es gibt Fehler, über die kann man reden“, ist seine Überzeugung für sein bürgerschaftliches Engagement. „Je früher ich entdecke, dass Fehler gemacht werden,  desto eher kann ich noch etwas bewegen.“

Maretzky, verheiratet, drei erwachsene Kinder, weiß, wie er die Zeit nach seiner Pensionierung im Oktober 2012 gestalten wird. Der Förderverein des EL-DE-Hauses hoffe auf Verstärkung: “Ich werde einen Tag in der Woche  dann ehrenamtlich mitarbeiten.“  Allerdings, 50 Prozent seiner Zeit nach der Pension hofft er für sich reservieren zu können.

Christa Grawert-Wagner

3. Mai 2011

No comments yet... Be the first to leave a reply!