Peter Bach: Ein anderer Blick auf die Gesellschaft

Based on an interview conducted by Christa Grawert-Wagner, ViLE e.V., Germany

Ein Ehrenamt? fragt Peter Bach. Er habe keine Ämter. „Es ist eine Tätigkeit, die nicht Privatinteressen dient, sondern es ist eine gesellschaftliche Aufgabe.“ So definiert er sein „unbezahltes Engagement“.  Geprägt von der 68er Bewegung habe er versucht einen Blick dafür zu bekommen, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert werden könnten. Seiner Erfahrung nach seien viele Dinge mit relativ geringem Einsatz veränderbar. Als Beispiel nennt Bach das Bewusstsein dafür zu schaffen, wass Rassismus und Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft bewirken.

Ungleiches Recht für die Bevölkerungsschichten war ein beherrschendes Thema in seinem Berufsleben. Solchen Mißstand wollte er nicht hinnehmen, auch wenn er immer wieder damit aneckte. Dafür bezahlte er den Preis: Er wurde zuweilen von seinen Bossen „vor  die Tür gesetzt“.  Nach fünf Jahren Betriebsratsvorsitz hatte er mit 56 Jahren schließlich den Einritt in die Rente gewählt.

Bach (63), verheiratet, zwei erwachsene Kinder, vier Enkel, engagiert sich schon länger in Mülheim.  Mülheim, ein rechtsrheinischer Kölner Stadtteil, war im industriellen Zeitalter von einem hohen Arbeiteranteil, auch Prekariat, geprägt. „Man ist immer gestaltend – mit dem was man tut und was man nicht tut“, heißt das Credo für seinen Einsatz. Seit  zehn Jahren ist Bach als Mitinitiator eingebunden in die Geschichtswerkstatt Mülheim, einem Teil des Netzwerkes Mülheim mit vielerart Gruppierungen und Initiativen. Das Netzwerk, wiederum gut vernetzt, hat Partner in Kölner Stadtteilen im Süden, Norden, Westen und Osten.

Stadtgeschichte bewusst machen

Das engagierte Team der Geschichtswerkstatt will in Vorträgen, Stadtführungen, Ausstellungen und Veranstaltungen die Entwicklung des Stadtteils aufzeigen – und  bewußt machen. „Was war schön in Mülheim?“, diese Frage diskutierte Bach beispielsweise mit älteren Einwohnern seines Viertels. Das Ergebnis überraschte die Teilnehmer. Früher, so die Erkenntnis, war Nachbarschaftlichkeit, das Miteinander,  selbstverständlich. Die Menschen waren eingebunden in das gesellschaftliche Leben. „Es gab zwar auch damals immer wieder Reibereien. Aber dann beruhigte man sich.“ Dieses  Miteinander sei leider heute nicht mehr gegeben. Da sitze jeder alleine in seinem Zimmer vor dem Fernsehen, kritisiert Bach.

„Die jetzige Gesellschaft ist eine Übergangsgesellschaft“, ist Bach überzeugt. Es gebe keine Orientierung mehr, weder an Parteien noch am Sozialismusmodell. Es gehe darum, neue Wege zu suchen, wenn die alten nicht mehr passierbar seien. So müsse man beispielsweise bewusst machen, in welch übler Weise Jugendliche heute  die Welt der Arbeit kennenlernten.

Es werde noch wie früher viel gearbeitet, aber die Löhne und Gehälter hinkten der Preisentwicklung erheblich hinterher. Vielen Familien reiche das Arbeitsentgeld nicht mehr fürs Leben. So seien viele neben ihrer Beschäftigung auf Harz IV abgewiesen. Jugendliche trreffe es besonders, wenn familiäre und verwandtschaftliche Strukturen verfielen. „Es ist charakteristische für unsere Zeit,“ so stellt Bach fest, „dass die  oberen Schichten keine  Verantwortung für die Gesellschaft empfinden.“

Schlechten Ruf wahren

Bach, der seit 35 Jahren in dem Stadtteil wohnt, provoziert zuweilen kräftig, um Mülheims Einwohner ihre eigenen Probleme bewusst zu machen. „Wahren wir unserer schlechten Ruf“, ist seine Überzeugung, „um Immobilienhaien den Appetitt auf des Stadtteil zu verderben.“ Differenziert sieht er die Entwicklung der Mülheimer Keupstraße. Das ist eine Straße, die nach einer „blühenden“ Vergangenheit vor dem zweiten Welltkrieg seit den 1970er Jahren in Verruf geraten war. „Die Hausbesitzer ließen ihre Häuser damals verrotten“, erzählt Bach. Die Folge: Deutsche Bewohner zogen weg und vor allem Migranten siedelten sich an, die in der Folgezeit der Straße ein anderes, neues Gesicht gaben.

Für Bach ist die Straße heute eine sehr lebendige und schöne Straße. Die Keupstraße und die ehemals anrüchige Hacketäuer Siedlung, früher ein Kasernen- dann Obdachlosenviertel, seien heute zwar Orte mit schlechtem Ruf aber hoher Lebensqualität. Er ist davon überzeugt, dass das ein schechtes Image dieser Orte Immobilienspektulanten am Hauskauf und die Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen hindert. Drastische Mieterhöhungen wären die Folge. Das Thema sei schwierig, aber es mache nachdenklich, so Bach.

 

Konfliktbewältigung

„Als ich wusste, dass ich mein Berufsleben beenden würde, machte ich eine Mediationsausbildung“, erzählt Bach. Mediative Techniken zur Konfliktbewältigung stellt er meist ohne Entgelt Initiativen und Gruppen zur Verfügung. So zum Beispiel sei er zwei Jahre in dem ebenfalls ehrenamtlich arbeitenden Mitarbeiterstab des Mülheimer Umsonstladen engagiert gewesen. Das ist eine Stätte, in der Leute die für sie nutzlos gewordene Kleidung, Bücher oder Einrichtungsgegenstände abgeben können. Andere können sich in dem Laden dann aussuchen, was sie wiederum gebrauchen können – ohne dafür bezahlen zu müssen. Im Mülheimer Umsonstladen habe es viel Konfliktstoff gegeben. Um nicht selbst bei  der Lösungssuche Schaden zu nehmen, betont Bach eine generelle Regel: „Es ist wichtig, dass man selbst mit seinem Engagement im Gleichgewicht  bleibt.“

 

Konsens als Gesellschaftsmodell

Den gesellschaftlichen Dialog über den Stadtteil Mülheim hinaus pflegt der 63-Jährige zudem sehr intensiv. Mit Bewunderung erzählt er von einer seit 30 Jahren in Konsens arbeitenden Kooperative in Venezuela. „Konsens, die Meinungsübereinstimmung, ist der Grundgedanke der Mediation.“ 20 000 Menschen arbeiten dort ohne hierrarchische Organisation in landwirtschaftlichen Kooperativen und auf Märkten sowie Gesundheitszentren. Demnächst werde ein Buch zu diesem Gesellschaftsmodell veröffentlicht.

Konsens hat Bach auch in den so genannten Sud-Basicgewerkschaften Frankreichs kennengelernt. Eine bürokratische Entwicklung, wie in Gewerkschaften anderer Länder, versuche man dort auszuschalten. Mitte Mai fährt er wieder mit anderen Interessierten aus dem Bundesgebiet in das Nachbarland zum Gedankenaustausch.

Die Beschäftigung mit dem Gesellschaftsthema sei manchmal schon „stressig“, räumt Bach ein. Die Kontakte zu den vielen Menschen möchte er jedoch nicht missen. „Jeder gibt einem was.“ Und das tue einem gut.

 

Christa Grawert-Wagner

9. Mai 2011

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