Sinn finden in freiwilliger Arbeit

Als Älteste von sieben Geschwistern habe ich früh gelernt, dass eine Gemeinschaft (in dem Fall unsere große Familie) nur dann gut funktionieren kann, wenn jeder nach seinen Fähigkeiten etwas zum Gelingen beiträgt. Gleichzeitig habe ich in unserem kleinen nord-bayerischen Dorf beobachten können, dass Nachbarschaftshilfe etwas Selbstverständliches war, bei der Ernte, beim Hausbau oder bei den alle paar Jahre stattfindenden lokalen Überschwemmungen. Ebenso selbstverständlich waren Abgeben und Teilen von Überfluss in guten Zeiten.

Meine Geschwister und ich waren die einzigen Nicht-Bauernkinder im Dorf, wir haben aber mit Begeisterung bei der Ernte geholfen und unsere größte Belohnung war, wenn wir nach getaner Arbeit müde und sonnenverbrannt mit der Bauernfamilie vespern durften, Kraut aus einer großen Schüssel in der Tischmitte, Brot und viel ziemlich fetten Speck.

All das sind gute Kindheitserinnerungen (vielleicht auch ein bisschen vergoldet mit zunehmendem zeitlichen Abstand) und ich muss auch zugeben, dass wir im Dorf nicht unter Nachkriegsnöten und –wirren gelitten haben, obwohl mir schon bewusst war, dass einige Ehemänner und Väter fehlten, am Kriegerdenkmal konnte man es ja nachlesen.

Jahre später finde ich mich nach diversen zum Teil skurrilen Karriereversuchen in der irischen Hauptstadt Dublin, wo ich nach Beendigung des 6-monatigen Englischkurses schlicht kleben bleibe und bei der Sprachschule arbeite. Die Sprachschüler sind Jugendliche und Erwachsene aus verschiedenen europäischen Ländern und neben meiner Arbeit betreibe ich mit fast missionarischem Eifer Geschichtsaufklärung. Es war mir ein Bedürfnis, den in sicheren Verhältnissen lebenden Deutschen, Italienern, Spaniern ein Land im Bürgerkrieg zu zeigen: Nord-Irland in den 70er Jahren, fast wöchentlich mit Unruhemeldungen in den Zeitungen präsent. Der Name Belfast war damals ein echtes Reizwort und in Teilen von Belfast oder Londonderry sah es aus wie im bürgerkriegsgeplagten Beirut. So habe ich mir an vielen Wochenenden das Auto mit Interessierten vollgepackt und sie Geschichte hautnah erleben lassen.

Meine jahrelange Tätigkeit mit Menschen verschiedener Nationalitäten hat mich schließlich – wieder unter teilweise skurrilen Begleitumständen – nach Österreich gebracht. Auf der Suche nach Betätigung neben meiner Arbeit als Englischlehrerin bin ich in einer besonders toleranten und modernen evangelischen Pfarrgemeinde fündig geworden, wo ich seit 11 Jahren ehrenamtliche Chefredakteurin der Gemeindezeitung bin, ebenso lange arbeite ich bei einer auflagenstarken katholisch/evangelischen Gemeinschaftspublikation mit. Themen in dieser Zeitung sind hauptsächlich menschliche Befindlichkeiten wie Fremdsein, Behindertsein, Glück, Trauer, Scheitern usw. Wir suchen Antworten auf Fragen wie: Was ist wichtig? Was braucht der Mensch?

Mein ganz persönliches Anliegen ist immer, zu mehr Toleranz und Verständnis beizutragen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen aufzuzeigen und Rassismus und Vorurteilen entgegenzuwirken. Wenn ich dann zwischen gelegentlichen freundlichen Leserbriefen an die Redaktion auch einmal einen heftigen Schuss ins Bein aus dem rassistischen Eck bekomme, darf mich das auch nicht entmutigen.

Magdalena Braumüller

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