Meine Ehre ist nicht amtlich

Meine Ehre ist nicht amtlich

ilipp Sonntag www.philipp-sonntag.de 
Beitrag 2011 zu “Erzähle mir von deiner Freiwilligenarbeit” / bei Telling Europe

 

Ehrenamtlich bin ich aktiv und die Betroffenen nehmen es gerne auf. Öffentlich bin ich dabei so gut wie unsichtbar. Als Physiker war mir nie gelungen, irgendetwas unsichtbar zu machen, geschweige denn mich selbst.

 

Du Mensch! Oder was …?

Nun aber sieht uns die EU! Die Arbeit nimmt ab, wir haben viel Zeit, Gutes zu tun. Wir tun es viel zu wenig, wir könnten z. B. alle Tiere artgerecht und liebevoll behandeln, es wäre eine Ehre für uns. Ich schreibe deshalb laufend Artikel, Gedichte über unsere Wirkung auf die Umwelt und sehe, sogar die Tiere durchschauen uns: „Du Mensch!“ ist ein beliebtes Schimpfwort, im Schweinestall.

 

Gib schon her, das mach ich mit links …

Denkste! Leichtsinnigerweise hatte ich in Vereinen erwähnt, dass mir Buchhaltung leicht fällt. Prompt wurde ich in zwei Vereinen als Finanzbeauftragter in den Vorstand gewählt. Es fing ganz harmlos an. Das Buchen von Rechnungen und Mitgliedsbeiträgen ist doch betulich gemütlich wie Patiencen legen – meinte ich. Dann aber „sollte“ ich plötzlich Förderanträge stellen, Projekte abrechnen, hinter säumigen Mitgliedern den Beitrag einfordern – die mir dann erzählten wieso sie eigentlich lieber Geld bekommen möchten als zahlen zu müssen. Es gab Gesprächsbedarf, will sagen nach und nach wurde ich zum Therapeut, zur Feuerwehr für Nöte, und zum Schiedsrichter, wenn sich die Mitglieder waagrecht an die Gurgel gingen. Ich sitze fast jeden Monat an Betten in Krankenhäusern, halte Händchen und erschauere, was mir selbst wohl noch alles so bevorsteht.

 

Toll, da muss man doch was tun …

Nichts irritiert mich so, wie das Normale. Die normalen Sägen sind ökologisch schlecht. Also habe ich die Bionische Säge im IFIAT (Institut Für Interdisziplinäre, Alternative Technologie in Austria) unterstützt, siehe www.ifiat.org Ingenieure bei einem Hersteller meinten, „man kann es nicht bauen“. Der Erfinder versuchte den Markt aus seinem bescheidenen Labor heraus zu erreichen, wen wundert’s, da war er chronisch bankrott.

Manchmal hatte er eine kleine Firma – als die Arbeiter Weihnachtsgeld bekommen sollten, musste ich da mein eigenes Weihnachtsgeld rasch überweisen. Ich war nämlich vorsichtshalber immer nur ehrenamtlich dabei, verdiente als Physiker ein ordentliches Gehalt in Instituten. Stundenlange Diskussionen verbrachte ich mit dem gescheit gescheiterten Erfinder, der auch immer wieder neue Konstruktionen eines „Perpetuum Mobile“ erfand. Kein Amt gab sich die Ehre, ihm zuzuhören – ich tat es.

Ehrenwort, das ist amtlich …

Ich bin ehrenamtlich ein Zeitmaschinennavigator, siehe Bild auf http://phila.crew.c-base.org/. Das passt gut bei einem UFO, welches vom Verein c-base in Berlin Rungestr. 20 bei der Jannowitzbrücke ausgegraben wird. Was schon ausgegraben ist, wird als Vereinsraum genutzt. Ich mag Talkshows aus Vergangenheit und Zukunft downloaden. Gerne halte ich Vorträge und gebe Science-Fiction Seminare.

 

FairenAmt, wie soll das denn gehen …?

Nichts könnte das Ehrenamt so in Bewegung bringen, wie mein Vorschlag zum FairenAmt. Die Gesellschaft hat instinktiv vermieden, Fördergelder für das Projekt bereitzustellen, damit das befürchtete soziale Chaos wenigstens bis nach der Klimakatastrophe hinausgeschoben wird.

Dabei haben wir das Chaos schon und das FairenAmt eröffnet soziale Zwischenstufen. Öffentlich werden Härten heiß diskutiert, sowohl bei Erwerbstätigkeit (Belastung, Mobbing, geforderte Weiterarbeit bis 67, seltene Einstellung in Firmen usw.), als auch sonst (Arbeitslosigkeit, Frühverrentung, Ein-Euro-Jobs, Schwarzarbeit, Einbindung von Behinderten usw.).

Das FairenAmt ist ein Modell für die Flexibilisierung menschlicher Tätigkeit im Rahmen einer modernen Gesellschaft. Es ergänzt das Ehrenamt um ein „faires Taschengeld“ und eröffnet Zwischenstufen auf einer Skala von Ehrenamt bis Erwerbstätigkeit. Es könnte Millionen Freiwillige motivieren.

 

Fazit

Der gesunde Mensch will Gutes tun und darüber reden dürfen. Die gesellschaftliche Steuerung beruht oft zu sehr auf einer allzu seriösen „Soziologie ohne Kafka“. Manchmal haben Literaten die Ehre, mehr durchzublicken als die amtlichen Wissenschaftler mit ihrer Deutungshoheit. Kafka ist dies mit seinem Blick fürs Absurde, für den eigentlichen Handlungsbedarf hervorragend gelungen, ähnlich Bert Brecht.

Dort wo ich im Ehrenamt erfolgreich bin, habe ich die individuellen Hoffnungen von Belasteten auf Glück zugelassen, aufgegriffen. Bert Brecht hat uns verraten, wie einfach Glück gelingen kann:

Bertolt Brecht:  Glücklicher Vorgang

Das Kind kommt gelaufen: „Mutter, binde mir die Schürze!“ Die Schürze wird gebunden. 

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