| ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
Die jüdisch-christliche TraditionWolfgang HuberBischof der Evangelischen Kirche in Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland
Seiten 69 - 92 Moderation: Dietrich Bösenberg Die Zusammenfassung dieses Kapitels und Fragen zum Thema wurden von Dietrich Bösenberg verfasst. Sie dienen als Grundlage für die Diskussion im Forum. An den Anfang stellen möchte ich den in der Einleitung von Hans Joas abgedruckten Vorschlag des Polen Stefan Wilkanowicz für eine (nicht verwendete) Präambel der europäischen Verfassung (Auszug): "Wir Europäer wollen... im Bewusstsein des Reichtums unseres Erbes, das aus den Errungenschaften des Judaismus, des Christentums, des Islam, der griechischen Philosophie, des römischen Rechts und des Humanismus, der sowohl religiöse als auch nicht religiöse Quellen hat, schöpft,..." Diese kurze und prägnante Formulierung fasst alle wesentlichen Aspekte zusammen, aus denen sich die kulturellen Traditionen Europas ableiten. Dieses Zitat habe ich auch deshalb an den Anfang gestellt, weil es sehr deutlich ausführt, dass sowohl religiöse als auch nicht religiöse Quellen die kulturellen Werte Europas speisen. Zur richtigen Einordnung und Gewichtung der Ausführungen von Wolfgang Huber muss dieser Aspekt beachtet werden. Jüdischer UrsprungDer Beitrag stellt in deutlicher Art und Weise zunächst den Zusammenhang des christlichen Erbes mit dem Judentum heraus - Europa verdankt dem Judentum die Bibel und das bestimmende Bild vom Verhältnis zwischen Gott und Mensch. Die Herleitung der christlichen Prägung Europas aus dem Judentum war offensichtlich in Deutschland lange Zeit gar nicht selbstverständlich, auch nicht bei den christlichen Kirchen, umso wichtiger ist es, dieses klar zu machen. – Protestantisches PrinzipBegründet in Ausführungen des Apostels Paulus zur Rechtfertigung und insbesondere in der Deutung der Reformation Luthers wird das sog. protestantische Prinzip als Anleitung zur Fähigkeit des Unterscheidens erklärt. Unterscheidungen in dreifacher Hinsicht: "Unterscheidung zwischen Gott und dem Menschen", "Unterscheidung der Person von ihren Taten" sowie "das christliche Verständnis der Hoffnung". Daraus leitet sich das Bild des Menschen als ein "Beziehungswesen" ab. Daraus wiederum ergibt sich die Notwendigkeit, "Bildungsprozesse" in Gang zu setzen, die Huber zu dem Schluss bringen, dass die "protestantische Gestalt des Glaubens eine Tendenz zum Bündnis zwischen Glauben und Bildung" hervorbringt!!! Christliches Erbe und säkulares EthosWiederholt stellt Huber christliche Werte gleichrangig neben allgemeine ethische Prinzipien. (S. 83, S. 86). Auf Seite 90 wird sogar das christliche Prinzip der Nächstenliebe, das wohl wirksamste Moralprinzip, als nicht christlichen Ursprungs anerkannt. Der säkulare StaatDie auf Seite 91 formulierten Sätze zum säkularen Staat: "dieser bewahrt die Gesellschaft davor, säkular sein zu müssen, denn die aufgeklärte Säkularität der politischen Ordnung hat ihren tiefsten Sinn in der Schaffung eines gesellschaftlichen Freiraums für das religiöse Bekenntnis und die Betätigung von Religion" sind wohl idealisierte Vorstellungen, über die nicht nur, aber insbesondere von verantwortungsbewussten Politikern nachgedacht werden muss. Wie schon erwähnt, steht den vielen interessanten und auch durchaus einleuchtenden Ausführungen Hubers die stark theologisch/protestantisch/theoretische Sichtweise gegenüber. Dagegen fehlen nach meiner Meinung wesentliche kulturelle Aspekte, die ich eigentlich zu den wichtigen im Christentum wurzelnden Traditionen zähle, z. B: Die christliche Tradition spiegelt sich u.a. in den "typischen" europäischen Baustilen wieder, insbesondere natürlich im sakralen Bereich. Romanik, Gotik, auch Barock sind Ausdruck christlicher Überzeugungen und auch der Verkündigung christlicher Botschaften. Ein anderes Beispiel deutlich werdender christlicher Tradition ist die Sprache. In den romanischen und germanischen Sprachen (evtl. auch den slawischen) finden sich viele Begriffe mit christlicher Prägung, ja sie geben vielfältig christliche Denkweisen wieder. |