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Die griechisch-römische Tradition

Christian Meier
emeritierter Professor für Alte Geschichte an der Universität München

Seiten 93 - 116

Moderation: Erna Subklew

Heutige Werte aus der Antike abzuleiten, bereitet Schwierigkeiten, meint Prof. Meier. Denn die Werte, die in der Antike ihre Gültigkeit hatten, werden zu anderen Zeiten jeweils anders rezipiert. Jede Zeit pickt sich letztlich das heraus, was sie meint zu brauchen. Über Umwege und Engpässe wird es zu dem, als was es sich darstellt. Andererseits wurde Europa von nichts so sehr beeinflusst, wie von der Antike und zwar sowohl im Mittelalter , als auch in der Neuzeit. Antike Ideen übten auf Europa immer wieder einen starken Reiz aus. Es war andererseits aber auch immer eine große Aufnahmebereitschaft dafür vorhanden.

Obwohl die Araber die Schriften der Antike eher kannten als die europäischen Völker, manche der Texte kamen über das Arabischen nach Europa zurück, trafen sie sehr zeitig eine Auswahl. Sie beschränkten sich auf bestimmte Bereiche, die sie übersetzten. Nach der Übersetzung kümmerte man sich nicht mehr viel um die Urtexte. Die griechischen Texte blieben auch im wesentlichen ohne Auswirkung auf ihre vorhandene Weltauffassung.

In Europa dagegen griff man immer wieder auf die Urtexte zurück und nahm sich griechisch-römisches Leben, Politik, Wissenschaft zum Vorbild. Daher lernt man auch bis jetzt noch, wenn auch in geringerem Ausmaß, die Sprachen. Vielleicht war das christliche Europa einfach offener, weniger geformt als die Welt der Araber. Vielleicht auch ließ die Kirche den Menschen mehr Spielraum als der Islam. Vielleicht stieß die Hinterlassenschaft der Antike gerade wegen der Kirche auf so große Rezeptionsbereitschaft, dass man immer wieder einen Rückgriff auf die Quellen wagte.

Das Neue, das mit den Griechen in die Welt kam, ist die Bildung einer Kultur, ohne dass darin die Monarchie eine wesentlich prägende Rolle hatte - eine Kulturbildung in Freiheit.
Wenn Chr. Meier von den "Griechen" spricht, dann meint er die Griechen nach dem Zusammenbruch der mykenischen Kultur.
In den ersten Jahrhunderten, von denen wir wenig wissen, lebten diese Griechen an der Küste der Ägäis in kleinen wenig durchgeformten Gemeinwesen. Der Monarch war der primus inter pares.
Durch den Handel mit anderen Ländern übernahmen die Griechen viel vom Orient: Denken, Wissen, Phantasie wurden von dort mitbestimmt. Dies beeinflusste aber nicht ihre Politik.. Eher merkten sie, dass die Monarchie ein fragwürdige Regierungsform ist.

Auch die Priesterschaft übte keine Macht aus. Bis ins 8. Jahrhundert waren ihre Kriege, wenn sie einen führten, eher Turnierkriege.
Dem Menschenüberschuss wurde dadurch begegnet, dass man weit entfernt unabhängige Kolonien bildete. So entstand eine eigene polisartige Kultur. Ihr Territorium reichte von Marseille bis an die Krim, ohne dass man die Notwendigkeit empfand, sich zusammenzuschließen. Die Polis sollten eigenständig, unabhängig und autark sein. Das verlangte aber auch, dass die Gemeinwesen nicht zu groß wurden. Geschlechter oder Clanzusammenhänge spielten keine Rolle. Es war eine Kulturbildung, die

  • nur geringe öffentliche Dienste hatte,
  • keine anspruchsvollen Neuorganisation der politischen Einheit,
  • keine Ausdifferenzierung der Funktionen,
  • keine Hierarchie,
  • keine Abhängigkeiten hatte.

Eine Ordnung in Gang zu halten, ohne Instanzen zu haben, die sie garantieren können, fordert zu einer frühen rationalen Durchdringung heraus, zur griechischen Philosophie.

480 versuchte die persische Weltmacht, sich die westliche Ägäis zu unterwerfen. Sparta, Athen und weitere 30 Stadtstaaten schlossen sich daraufhin zusammen und gewannen den Krieg gegen die Perser. Die bekannte Erde wurde dadurch in zwei Teile geteilt: Europa und Asien, Freiheit und Gehorsam. Es war der Beginn der klassischen griechischen Kultur.
Die Größe und Ungeheuerlichkeit menschlichen Könnens wurden in einem Ausmaß frei gesetzt, wie sonst nie. Die Kultur der Freiheit, der Verantwortung und Offenheit, der Ratio und der Bereitschaft alles in Frage zu stellen, hat das abendländische Europa auf das stärkste geprägt. Die Freiheit erlaubte es, alles zu sagen, zu fragen, zu formen, zu denken und sich an ihr zu reiben.

Rom hat diese Hinterlassenschaft der Griechen übernommen und auf das fruchtbarste ergänzt. Z. B. um die res republic, die Staatsform der Republik, jener politischen Ordnung mit einer kräftigen Führung und Opposition. Zwar hatte der Adel Vorrechte aber es gab auch die Freiheitsrechten aller Bürger, und zunächst ohne Monarchen. Der damalige römische Bürgerbegriff würde sich besonders gut für die EU-Bürger eignen. Auch die geographische Ausbreitung der EU erstreckt sich in den ungefähren Ausmaßen des damaligen Römischen Reiches.

Viele der von den Römern tradierten Elemente haben ihre Rolle längst ausgespielt, nicht jedoch das römische Recht und die sich daraus entwickelnde juristische Wissenschaft. Die Tradition des Rechts ist bis heute von außerordentliche Bedeutung für Europa und letztlich für die ganze Welt.

Wenn inzwischen auch recht verdünnt, ist die griechisch-römische Tradition noch immer ein verbindendes Element in Europa über die Nationen weg. Dabei ist neben Kirche, Universität, dem Latein der Wissenschaft auch an die Bourgeoisie zu denken, bei der antike Elemente durchgeschlagen sind. Hat die griechisch-römische Tradition ausgedient?

Für Neuanfänge war sie immer interessant. Und vielleicht ist gerade heute in unserer schnelllebigen Zeit mit der neuen Problematik von Massenwohlstand, -bildung, -mitsprache eine Rückbesinnung auf griechisch-römische Tradition aktueller als je.

Fragen:

  1. Welche Werte könnten ihre Wurzeln in der Antike haben?
  2. Worin sieht Chr. Meier den größten Unterschied zwischen Arabern und Europäern bei der Rezeption griechisch-römischer Ideen?