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Über den Stellenwert der Aufklärung in der deutschen Geschichte

Reinhart Koselleck
emeritierter Professor für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld

Seiten 353 - 366

Moderation: Werner Rütten

Die Zusammenfassung dieses Kapitels wurde von Werner Rütten verfasst. Sie dienen als Grundlage für die Diskussion im Forum.

Ein Zitat von Voltaire und ein Zitat von Kant nimmt Koselleck als Anlass den Begriff „Aufklärung“ in dreifacher Weise zu beleuchten. Einmal:
„Alltagssprachlich bezog sie [die Aufklärung] sich [...] auf die Heiterkeit jenes Wetterwechsels, der zur Aufklärung oder in die Strahlen der aufgehenden Sonne hinführt, die Wolken oder die dunkle Nacht vertreibend“ (S. 358)
Zum Zweiten:
„[...] „den einer Epochenbestimmung[...]. Denn es ist ein Novum in der Geschichte, daß sich eine Generation von Zeitgenossen selber schon eine epochale Eigenbezeichnung zumißt.“ (S. 356)
Zum Dritten:
„Aufklärung erhebt immer auch einen systematischen, einen anthropologischen Daueranspruch, gar nicht überholt werden zu dürfen, überholt werden zu können. Sie beansprucht ein elementares Innovationspotential.“ (S. 358)

Die Betrachtungen zur Semantik sind interessant, aber nach meiner Meinung, für unsere Diskussion weniger wichtig.

Auch der Hinweis, dass in der Tradition der Epochenbenennung, dass Zeitalter Voltaires und Kants aus der Art schlugen und die Benennung ihres Zeitalters nicht der Nachwelt überließen, ist nicht das eigentliche Thema.

In abgewandelter Form der Aufsatzüberschrift, ist die eigentliche Frage: „Welchen Stellenwert hat die Aufklärung in der zukünftigen Europäischen Union?“ Was unter Aufklärung zu verstehen ist, beziehungsweise was die „Aufklärer“ darunter verstanden, beschreibt oder zitiert Koselleck:

These:
„[Dass sich] der Mensch ohne Rekurs auf außer- oder übermenschliche Gewalten in dieser seiner Welt einzurichten habe.“ (S. 354)
Und
„Heraus aus der Fremdbestimmung von Kirche und Staat, fort vom Aber- und Wunderglauben zu einer Religion, die vernunft- und moralbegründet einlösbar sei.“ (S. 356)
Und
„Wahrheit, Gerechtigkeit, Mündigkeit, Menschlichkeit, wer wollte darauf verzichten, wenn denn schon diese Inhaltsbestimmungen nur durch Aufklärung der Ungerechtigkeiten, der Unmenschlichkeiten, der Lügen, der Vorurteile oder Irrtümer zu verwirklichen sind?“ (S. 359f.)

Antithese:
„Freilich gerät die Aufklärung auf dieser Ebene der Allgemeinheit, der Zustimmungsfähigkeit schnell in den Bereich der Beliebigkeit. Jeder klärt sich auf, wie es ihm selber möglich ist – sozial, religiös oder politisch oder sonstwie. Aufklärung wird seit ihrem Auftauchen (wie Fortschritt und Geschichte) schon zum Schlagwort oder zum Blindbegriff, der keine Unterscheidung mehr zuläßt, ein Begriff, der also besser zu meiden sei. (S. 360)
Und:
„Wer sich auf Aufklärung berief, der mußte sich fragen lassen: Wer klärt wen auf? Und wer wen worüber? Dann freilich stellte sich heraus, daß diese Aufklärung im Namen der Vernunft schnell die von ihr selbst postulierte Toleranz hinter sich ließ.“ (S. 361)

Die fällige Synthese könnte Moses Mendelssohn gedacht haben. “Er warnte die Aufklärer davor, die Verbreitung der Wahrheit nur nach der Nutzenrechnung voranzutreiben: »So wird der Tugend liebende Aufklärer mit Vorsicht und Behutsamkeit verfahren, und lieber das Vorurteil dulden, als die mit ihm so fest verschlungene Wahrheit zugleich mitvertreiben.« Es war die Stimme der Weisheit, nicht der Klugheit[...]. Mendelssohn machte, als er die Aufklärung 1784 definierte, zugleich eine zukunftsträchtige Beobachtung. Er setzte nämlich die praxisbezogene Kultur und die theoriebezogene Aufklärung einander entgegen und subsumierte beide dem übergreifenden Begriff der »Bildung«.“ (S.362)