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Freiheit, Sklaverei und die moderne Konstruktion der Rechte

Orlando Patterson
Professor für Soziologie an der Harvard University

Seiten 164 - 218

Moderation: Horst Glameyer

Die Zusammenfassung dieses Kapitels und Fragen zum Thema wurden von Horst Glameyer verfasst. Sie dienen als Grundlage für die Diskussion im Forum.

In der Einführung dieses Kapitels erinnert der Autor Orlando Patterson an die Wiener Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen im Frühjahr 1993. Dort überraschten die Delegierten aus Ländern des Nahen und Fernen Ostens die westlichen Konferenzteilnehmer mit der Erklärung von Bangkok. Danach seien die Freiheit und der Gedanke der Menschenrechte keineswegs universell und besäßen in den Traditionen der meisten Länder der Welt keine Wurzeln. Nähme man diese Ideale ernst, so müsse man auch die ökonomische Entwicklung in den Rang eines Menschenrechts erheben und zum wesentlichen Bestandteil jeder akzeptablen Konzeption von Freiheit machen.

Zu Beginn der folgenden Abschnitte betont der Autor, dass er versuchen will, die Geschichte der Freiheit aus seiner Sicht darzustellen.
So entstand bereits in der Mitte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts das, was wir als Freiheit bezeichnen, nämlich als kultureller Dreiklang die persönliche, die bürgerliche und die souveräne Freiheit. Mit dem Freiheitsbegriff war auch Macht verbunden.
Die Elite besaß die Freiheit, Macht über andere sowie über ganze Völker auszuüben, was ihr Ehre und Ruhm einbrachte.
Die freien Bürger verstanden unter Freiheit die Teilhabe an den Entscheidungen ihrer Gemeinschaft.
Die Sklaven verlangten nach persönlicher Freiheit, denn ihre Herren konnten als Eigentümer der versklavten Menschen nach Belieben auch über deren Leben und Tod entscheiden.
Erst durch die Sklaverei entstand der Wunsch, frei von Zwängen zu sein, und damit der Gedanke einer persönlichen Freiheit. Sowohl die Elite als auch die freien Bürger waren lange Zeit davon überzeugt, dass sie das Recht und die Freiheit besaßen, über die machtlosen Sklaven zu herrschen. Das aufkommende Christentum verkündete jedoch Erlösung und Freiheit aller Menschen vor Gott. Im irdischen Leben war von Freiheit weniger die Rede.
Noch im Mittelalter besaß der Grundherr Privilegien, die ihm weitgehend erlaubten, in seinem Herrschaftsbereich frei zu schalten und zu walten. So konnte er z.B. von seinen Untertanen Frondienste verlangen.

Ferner geht der Autor auf die kapitalistischen Verhältnisse im England des 17. Und 18. Jahrhunderts ein, in denen Macht und Freiheit eng mit Eigentum verbunden waren. Bei aller Frömmigkeit blühte in dieser Zeit der Sklavenhandel. Nur die Quäker erhoben dagegen Einwände.

Die englischen Siedlerkolonien in Nordamerika entwickelten nach und nach geschriebene Charten als Vorformen von Verfassungen freier Gesellschaften, was schließlich zur Loslösung vom englischen Mutterland führte. Trotz vieler afrikanischer Sklaven, die als Arbeitskräfte auf den Farmen benötigt wurden, entstanden auch rechtliche Grundmerkmale für die freie Lohnarbeit. Das Gemeinschaftsleben der Siedler war religiös geprägt. Zugleich entwickelten sich mehr und mehr demokratische Verhältnisse mit grundlegenden Freiheitsrechten. Patterson schildert eingehend die Entwicklung zu Freiheit und Demokratie in den verschiedenen Regionen Nordamerikas.

Schon im frühen Mittelalter verstand man im englischen Sprachgebrauch unter "right" (Recht) im Common Law den "gesetzlich oder moralisch begründbaren Anspruch, etwas zu besitzen oder zu erlangen oder in bestimmter Weise zu handeln." In der Scholastik wurde später die Theorie des Naturrechts entwickelt. Eine hochentwickelte Form des Rechtsverständnisses findet sich in Luthers Abhandlung "Von der Freiheit eines Christenmenschen." Ihren praktischen Höhepunkt fand sie in der amerikanisch-puritanischen Tradition (Calvin) geordneter Freiheit. Patterson verweist auf zahlreiche Rechtsgelehrte und Philosophen wie John Locke und Pufendorf, die in der Folgezeit den Rechts- und Freiheitsgedanken gefördert haben, die in der wechselvollen Geschichte der USA letztendlich zur Sklavenbefreiung führten. So wurde in die amerikanische Bundesverfassung nicht ohne heftigen Meinungsstreit die "Bill of Rights" (Grundrechte) eingefügt, die jedoch von den Staaten Massachusetts und Connecticut erst im Jahre 1937 ratifiziert worden ist.

Von den Elementen der Freiheit hielt sich dasjenige besonders lange, das mit Freiheit die Macht verband, nach Belieben über andere Menschen zu verfügen. Dennoch erwuchs aus der Überwindung der Sklaverei das Recht auf persönliche Freiheit und wurde ungeachtet vieler Hindernisse zu einem kulturellen Wert Europas.

Fragen zum Thema:

  1. Vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte Europas und des heutigen globalisierten Welthandels, in dem die Industriestaaten ihre Produkte häufig erheblich subventionieren, stellt sich die Frage, wie berechtigt die Forderung in der Bangkok-Erklärung der Länder des Nahen und Fernen Ostens ist, die ökonomische Entwicklung in den Rang eines Menschenrechts zu erheben und damit zum Bestandteil von Freiheit zu machen.
  2. Ist der kulturelle Dreiklang des Freiheitsbegriffs nach Patterson hinsichtlich von Freiheit als Machtausübung, als bürgerliche politische Mitbestimmung und als persönliche Freiheit nach wie vor aktuell?